Archiv des Autors: Patrick Gälweiler

Smart Vehicle-Flotte auf dem Weg zum autonomen Fahren nach SAE-Level 5

FEV automatisiert Demonstrationsfahrzeug als Technologieträger und Entwicklungsplattform

20. Oktober 2017 | Engineering Service

FEV automatisiert Demonstrationsfahrzeug als Technologieträger und Entwicklungsplattform

Für OEM, Zulieferer und Entwicklungsdienstleister erwächst mit der Automatisierung von Fahrzeugen eine Fülle neuer Aufgaben. Gleichzeitig treten klassische Funktionen und Kaufkriterien immer mehr in den Hintergrund. Als Dienstleister unterstützt FEV seine Kunden vom ersten Konzept bis zum SoP in ihren Entscheidungsprozessen rund um diese neuen Themen.
Seit 2016 bündelt FEV alle Maßnahmen rund um die Entwicklung fortschrittlicher, rundum vernetzter und automatisierter Fahrzeuge im globalen Center of Excellence „Smart Vehicle“. Smart Vehicle umfasst dabei die unterschiedlichste Entwicklungsbereiche einer sich schnell weiterentwickelnden, hochkomplexen Umgebung – von Sensortechnologien über Software-Algorithmen bis hin zu E/E-Architekturen und Konnektivität.
So entwickelt FEV innovative Lösungen in den Bereichen vorausschauende Betriebsstrategien, Connectivity, Cyber Security, aber auch Infotainment und Fahrer-Fahrzeug-Interaktion.
Ein wichtiges Demonstrations- und Entwicklungswerkzeug haben die Experten nun auf die Straße gebracht.
Sébastien Christiaens, Abteilungsleiter bei FEV begleitet dieses Projekt vom Standort Aachen und sprach mit  SPECTRUM über die Hintergründe.

>> Unser Ziel war es, standardisierte Schnittstellen zu entwickeln und zu nutzen, um so eine modulare state-of-the-art-Entwicklungsplattform zu erhalten

Herr Christiaens, seit wenigen Wochen fährt ein automatisiertes Demonstrationsfahrzeug der FEV auf der Straße – beziehungsweise auf hierfür zugelassenen Strecken. Was ist der Hintergrund dieses Demonstrationsfahrzeugs?

Um genau zu sein, fahren weltweit insgesamt drei solcher Fahrzeuge. Die automatisierten FEV Smart Vehicles sind Teil eines FEV-Projektes, das wir mit unseren Kollegen in den USA, in Polen, der Türkei und am Unternehmenssitz in Aachen durchführen. Ziel hierbei ist es, unsere globale Expertise zu bündeln und in einem vollautomatischen Entwicklungsfahrzeug – als Basis für weitere Entwicklungen, aber auch für Benchmarking-Aktivitäten – erfahrbar zu machen. Die Fahrzeuge zeigen den Status quo, den wir uns in den vergangenen Jahren in unterschiedlichen Projekten erarbeitet haben und nun in einem Fahrzeug zusammenführen. Somit bilden die Smart Vehicle die erste automatisierte FEV-Flotte, die wir ohne Kundenauftrag realisiert haben.

Auf dem diesjährigen Aachener Kolloquium Fahrzeug- und Motorentechnik konnte man dem Fahrzeug beim Fahren zusehen. Was gab es dort zu sehen?

Derzeit kann das Fahrzeug fahrerlos auf einer vorgegebenen Strecke fahren und dort auch auf jegliche Ereignisse adäquat reagieren. Dank der implementierten Objekterkennung werden Verkehrsschilder aber auch Gegenstände und Personen erkannt und entsprechende Fahrmanöver eingeleitet.
Auf dem Aachener Kolloquium haben wir die Fahrt an unseren Messestand gestreamt. Der Stream wurde rein über die Vehicle-2-Network-Anbindung des Fahrzeugs realisiert. Dabei sendete das Fahrzeug Daten in die Cloud. Das Aldenhoven Testing Center, auf dem das Fahrzeug unterwegs ist, bietet hierfür ideale Bedingungen. Derzeit entsteht ein urbaner Erprobungsraum für die Mobilitätsforschung, der dank des ebenfalls angesiedelten Vodafone-5G Mobility Lab auch über ein Hochleistungsnetzwerk verfügt. Dieses ist notwendig, um die anfallenden Datenmengen verarbeiten zu können.

Welche Sensoren wurden in das Fahrzeug integriert?

Neben einer allgemeinen Vehicle-2-Network-Anbindung haben wir umfassende Sensorik in Form von Radar und LiDAR-Sensoren, unterschiedlichen Kameras, GPS und Differenzial-GPS integriert. Dank dieser Sensoren und Schnittstellen lässt sich das unmittelbare Umfeld des Fahrzeugs erkennen und aufkommende Straßen- sowie Verkehrsbedingungenlangfristig vorhersagen.
Mittels gezielter Redundanzen unterschiedlicher Technologien können wir die Unzulänglichkeiten einer Sensorart ausmerzen, indem wir die Ergebnisse mit denen anderer Systeme anreichern und vergleichen. Diese intelligente Kombination unterschiedlicher Sensorinformationen – auch Sensorfusion genannt – ist ein Schlüsselelement bei der Fahrzeug-Umfelderkennung sowie bei der Ortung.
Unser Ziel war es zudem, standardisierte Schnittstellen zu entwickeln und zu nutzen, um so eine modulare state-of-the-art-Entwicklungsplattform zu erhalten. So können z.B. bei späteren Benchmarking-Aktivitäten einzelne Sensoren mit möglichst geringem Aufwand getauscht werden.

Auf welcher Basis werden die Fahrbefehle ermittelt?

Die Fahrbefehle selbst werden mittels unseres eigens entwickelten Steuerungsalgorithmus gesteuert. Dieser Algorithmus beinhaltet drei Hauptfunktionen: Umfelderkennung, Planung und Umsetzung. Hierbei greifen wir unter anderem auf die Expertise unserer amerikanischen Kollegen zurück, die in der Vergangenheit bereits Automatisierungsprojekte erfolgreich abgeschlossen haben.
Als modulare Entwicklungsplattform verfügt das Fahrzeug über zwei Arten leistungsfähiger „embedded controller“. Somit sind wir in der Lage, unterschiedliche Typen von Algorithmen zu testen und zu vergleichen. Hierzu gehören beispielsweise ein regelbasierter Ansatz sowie ein Ansatz, der auf künstlicher Intelligenz, also dem sogenannten machine learning beruht.

Wenn Sensoren Umweltdaten sammeln, ist eine Kommunikation des Fahrzeugs mit dieser Umwelt sicherlich nur ein weiterer logischer Schritt. Inwieweit haben Sie diesen Aspekt bereits mit eingeplant?

Die Kommunikation zwischen dem Fahrzeug und der Umgebung ist für das automatisierte Fahren unerlässlich. Die Fahrzeuge verfügen deswegen bereits heute über eine Vehicle-to-Everything („V2X“)-Anbindung. Die hierfür notwendige intelligente Anschlusseinheit – kurz iCU – basiert auf einer Microservice-Architektur und verarbeitet Daten und Informationen unterschiedlicher Steuergeräte und Sensoren. Die FEV-iCU ist in der Lage, Daten der vehicle-to-vehicle-Kommunikation mittels DSRC zu versenden und zu empfangen. Durch die Microservice-Architektur wird die Integration entsprechender 5G Standards („C-V2X“) bei Verfügbarkeit direkt möglich sein. Zwischengeschaltete Datenaggregations- und Datenkonvertierungsdienste harmonisieren die oftmals sehr unterschiedlichen Datensätze und -formate.

>> Mit unserem Cyber Security-Gateway bieten wir ein wichtiges Werkzeug, um Cyberattacken zu unterbinden

Wie gehen Sie hierbei mit dem Thema Cyber Security um?

Cyber Security in Fahrzeugen ist in der Tat eine der größten Herausforderungen. Solange das Fahrzeug nicht über eine Vehicle-2-X-Anbindung verfügt, ist die Anzahl der Einfallstore noch relativ übersichtlich. Die größte Gefahr geht hierbei von der OBD-Schnittstelle aber auch vom Infotainment-System aus. Sobald das Fahrzeug im Netzwerk agiert, potenzieren sich die Gefahrenquellen. Mit unserem Cyber Security-Gateway bieten wir hier ein wichtiges Werkzeug, um Cyberattacken zu unterbinden. Das Cyber Security Gateway wird mit dem Kommunikationsbus des Fahrzeugs verbunden, um schädliche Übergriffe zu erkennen und zu verhindern. Zudem kann es als Firewall zwischen externe Schnittstellen und Fahrzeugbus geschaltet werden. Außerdem arbeitet FEV mit führenden globalen Herstellern derzeit daran, die HSM und TPM-Technologien, also sogenannte Hardware Security Module und Trusted Platform Module, auch für die Autoindustrie und speziell für das sichere Booting und OTA Software-Updates „over the air“ zu implementieren.

Das Cyber Security Gateway wird mit dem Kommunikationsbus des Fahrzeugs verbunden, um schädliche Übergriffe zu erkennen und zu verhindern. Zudem kann es als Firewall zwischen externe Schnittstellen und Fahrzeugbus geschaltet werden

Welche Schritte stehen nun mit der FEV-Smart Vehicle-Flotte an?

Die Fahrzeuge sind leistungsfähige Werkzeuge, um Herausforderungen wie die Integration neuer Funktionen, Interfaces und Komponenten zu meistern. Sie bieten ein breites Spektrum an Möglichkeiten – sowohl für die FEV als auch für unserer Partner und Kunden. Als flexible Plattform spielen die Fahrzeuge eine wichtige Rolle in der Entwicklung und Optimierung unserer Steuerungsalgorithmen. So ermöglichen Sie es unseren Ingenieuren, ihre Innovationen bei ADAS und automatisiertem Fahren erfahrbar zu machen. Diese Plattform kann aber auch Partnern und Kunden als Basis für gemeinsame „Proof-of-Concepts“ angeboten werden und um neue Technologien und Feature zu demonstrieren.
Wie bereits erwähnt ist unsere Fahrzeugflotte auch ein wichtiger Bestandteil unserer Benchmarking-Aktivitäten – sowohl für das Benchmarking von Sensoren als auch Systemen und ganzen Fahrzeugen.
Beim Benchmarking kommt es vor allem auf eine Reproduzierbarkeit der Ergebnisse und der Testabläufe an, wofür die Automatisierung sehr wichtig ist. Unsere Smart Vehicles stellen in diesem Fall dann nicht nur den Technologieträger für den Prüfling dar, sondern auch das Testwerkzeug. Fahrmanöver vom Zielfahrzeug können so automatisiert und reproduzierbar durchgeführt und ein verlässliches Verhalten des Prüflings verifiziert werden.
Ebenfalls nutzen wir die Fahrzeuge für unser Angebot in den Bereichen Kalibrierung, Testing und Validierung im Rahmen der ADAS und AD-Entwicklung. So arbeiten wir beispielsweise daran, diese Fahrzeuge in unsere virtuelle Testing-Toolkette und die Testumgebung zu integrieren – unter anderem als Fahrzeug-in-the-loop-Plattform.
Bei der Entwicklung von Big Data-Werkzeugen und Services sind die Fahrzeuge ebenfalls von großem Nutzen und sammeln und analysieren große Mengen an Daten.
Zukünftig werden wir unsere Fahrzeugflotte weiter ausbauen und somit die Entwicklung innovativer Lösungen für unsere Kunden noch weiter vorantreiben. Der Umstand, dass wir mit unseren weltweiten Standorten an der Fahrzeugflotte arbeiten befähigt uns darüber hinaus dazu, diese Technologien auch im großen Maßstab anzubieten.

Herr Christiaens, vielen Dank für das Gespräch!

>> Perspektivisch werden wir die FEV smart Vehicle nicht nur zur Weiterentwicklung der einzelnen Systeme nutzen, sondern auch als wichtige Testwerkzeuge für Level 4- und Level 5-Funktionen

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Rot wie Drachenblut

Der FAFNIR 472 bei der FEV GmbH

13. Januar 2015 | Corporate

Der FAFNIR 472 bei der FEV GmbH

Ein großartiges Stück Aachener Automobilgeschichte befindet sich seit 2007 im Besitz der FEV GmbH. Ein Fafnir 472 des gleichnamigen Aachener Automobilbauers, der von 1903 bis 1926 produzierte, wurde in jahrelanger Arbeit restauriert. 2015 wird der Fafnir nun auf unterschiedlichen Oldtimerveranstaltungen im Bundesgebiet zu sehen sein – Grund genug um sich mit der Geschichte des Fahrzeuges und seiner Restaurierung zu beschäftigen.

Geschichte der Fafnir-Werke

Bereits 1904 fertigte die Aachener Firma Fafnir Autobausätze unter dem Namen Omnimobil. Während des ersten Weltkrieges kam deutschlandweit die Automobilproduktion zum erliegen, so dass die Fafnir-Werke erst ab 1919 wieder moderne Fahrzeuge in der damaligen Premiumklasse anboten – unter anderem das Modell „472“.

Fafnir 472 der FEV: Einer von weltweit sechs verbliebenen

Basierend auf Planungsentwürfen der Jahre 1913/14 verfügte er noch über die typische „Phaeton“-Karosserieform. Erst später, vermutlich um 1930, wurde der Fafnir 472 Phaeton mit der Fahrgestell Nummer 18961 mit der markanten Pritsche versehen. Der 472 zeigt für die damalige Zeit bemerkenswerte technisch fortschrittliche Merkmale – beispielsweise ein innenliegender Gangschaltungshebel, Blattfedern unter der Hinterachse sowie eine Tankanzeige. Sein Vierzylinder-Langhub-Motor verfügt über ein Leichtmetallkurbelgehäuse, eine Zylinder-Bohrung von 73,2 Millimeter und jeweils zwei stehende Ventile pro Zylinder. Der Hub der dreifach gelagerten Kurbelwelle beträgt 126 Millimeter. Innovativ: Bereits 1919 erfolgte die Motorsteuerung über eine Steuerkette. Dank eines Vierganggetriebes erzielte der „472“ mit seiner nominellen Leistung von 22 PS eine Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h.

Restaurierung in der FEV-Ausbildungswerkstatt

Insgesamt fünf Jahre dauerte die Restauration des Fafnir durch die Mitarbeiter der FEV. Viele Stunden des Schleifens, Schweißens, Dengelns und Hobelns waren bei der Restauration in der FEV-Ausbildungswerkstatt nötig. Bei seiner Übernahme aus der Privatsammlung von Heiner Vogel war der Fafnir in einem restaurierungswürdigen Zustand, von einer baldigen Ausfahrt auf den Straßen Aachens jedoch weit entfernt. Mehr als 90 Jahre, ein Weltkrieg und die Nutzung als Transporter, hatten ihre Spuren hinterlassen.

Bei der Restauration war Hochwertigkeit und Authentizität oberste Prämisse: So konnte das Restaurations-Team rund 80 Prozent des Fafnir 472 aus aufgearbeiteten und überholten Originalteilen wiederherstellen. Selbst die Holz-Speichenräder sind noch die ersten aus dem Jahr 1919 und müssen vor jeder fahrt „gewässert“ werden. Unter dem Lackkleid  wurden Unebenheiten – ganz zeitgenössisch – mit Karosseriezinn ausgeglichen und selbst die neu bezogene Innenausstattung orientiert sich zu 100 Prozent am historischen Vorbild. Auch die 22 PS Leistung des 2,1 Liter Monoblock-Motors können sich sehen lassen.

 

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