Archiv des Autors: Elora Zimmermann

Performance
FEV Batterie-Benchmarking
FEV Batterie-Benchmarking
Benchmarking bietet einzigartige Möglichkeiten für detaillierte Einblicke in neu erschienene Technologien. Leistungsdaten, Konstruktionsdetails, verwendete Materialien, angewendete Fertigungsverfahren und Systemfunktionen können über eine detaillierte Benchmarkstudie analysiert werden. Fahrzeug- und Systemtests liefern entscheidende Messdaten, welche Aufschluss über die Performance neuer Produkte geben. Die Zerlegung gesamter Fahrzeuge oder einzelner technischer Systeme zeigen die Produktstruktur und lassen erforderliche Montageprozesse erkennen.
Möchten Sie immer einen Schritt voraus sein? Die Erkenntnisse aus spezifischen Benchmark-Programmen helfen, den entscheidenden Schritt voraus zu sein, um in interdisziplinären Expertenworkshops neue Design- und Produktideen zu generieren. Eine neutrale Bewertung der eigenen Entwicklungen durch einen Partner wie FEV liefert den wichtigen Blick von außen.
Neben der Ausprägung technischer Produkteigenschaften, ist die Optimierung der Kostenstruktur entscheidend, um Wettbewerbsvorteile zu entwickeln. Auf Basis einer detaillierten Analyse der zerlegten Komponenten wird eine sogenannte Should-Cost-Berechnung durchgeführt. Die Should-Cost-Analyse zeigt, was das entsprechende Produkt im aktuellen Design und unter getroffenen Annahmen kosten darf. Die Ergebnisse der Kostenanalyse liefern Erkenntnisse über Wettbewerbskosten und bilden die Grundlage zur Definition von Zielkosten. Im Rahmen von strukturierten Wertanalyse- und Kostensenkungsworkshops werden interessante Kostensenkungsmaßnahmen ermittelt, die genutzt werden, um die eigenen Produkte zu verbessern.
Die Hochvoltbatterie stellt bei elektrischen Fahrzeugen einen wesentlichen Kostenblock dar. Demnach liegt ein Hauptaugenmerk bei der Kostenoptimierung von elektrischen Fahrzeugen auf der Optimierung der Batterie. Ein Benchmarking von neu in den Markt eingeführten Batteriesystemen ist ein wichtiger Bestandteil der strategischen Entwicklung zukünftiger Batteriesysteme. Neben den Batteriekosten liefert ein technisches Benchmarking entscheidende Erkenntnisse über verschiedene Performance- Aspekte. Ein Vorsprung in Energiedichte und damit Reichweite bildet ein deutliches Alleinstellungsmerkmal. Informationen zu Zellchemie, Batterie Management System und Thermomanagement sind wichtige Daten, die für die Weiterentwicklung eigener Systeme genutzt werden können.
Was benötigen Sie?
- Tiefere Einblicke in neueste Technologien?
- Konstruktion und Funktionen im Detail verstehen?
- Wichtige Messdaten zu Leistungsparametern?
- Die Kostenstruktur des Wettbewerbs verstehen?
Batterie ist nicht gleich Batterie
Im Automobilbereich existieren gravierende Unterschiede zwischen verschiedenen Batterieanwendungen. Generell lassen sich drei Batterietypen identifizieren (Abbildung 1).

Die Batterie in einem Mild Hybrid Electric Vehicle (MHEV) dient der Versorgung eines 48 V-Bordnetzes und bietet Leistungen bis zu 30 kW. Batterien eines Hybrid Electric Vehicle (HEV) bieten Leistungen von bis zu 200 kW und Batterien für Plug-in Hybrid Electric Vehicles (PHEV) darüber hinaus eine erhöhte elektrische Reichweite und die Möglichkeit des externen Aufladens. Für diesen Batterietyp spielen gleichzeitig Energie- und Leistungsdichte eine wichtige Rolle. Hingegen kommen bei rein elektrischen Antrieben Traktionsbatterien mit hoher Energiedichte zum Einsatz. Damit sind je nach Anwendungen unterschiedliche Zelltypen einzusetzen. Diese unterscheiden sich neben der elektrischen Charakteristik auch durch die Bauform und Zellchemie. Es gibt zylindrische, prismatische und sogenannte Pouchzellen sowie Zellchemien vom heute gängigen Nickel Mangan Cobalt Oxid (NMC) in verschiedenen Dotierungen, Lithium Titanat Oxid (LTO) oder auch Lithium-Iron-Phosphate (LFP). Jede Technologie bietet Vor- und Nachteile bezogen auf Leistungsdaten, Konstruktionsdetails, verwendete Materialien, angewendete Fertigungsverfahren, Gesamtkosten (TCO) und Lebensdauer.

Vergleicht man nun auf Systemebene die jeweilige gravimetrische oder volumetrische Energiedichte, so zeigen sich größere Unterschiede sowohl durch die Zellauswahl als auch durch Modul- und Systemdesign. Für Elektrofahrzeuge ist diese Betrachtung ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal, da die Energiedichte direkt in für den Kunden verfügbare Reichweite resultiert (Abbildung 2). Vergleicht man zum Beispiel neuere BEV wie Teslas Model 3 Long Range (2018) und Hyundais Kona electric 150 kW (2018) miteinander, so zeigen sich die Unterschiede. Teslas Model 3 Long Range verfügt über eine Energiekapazität von 78 kWh bei einem Batteriegewicht von 457 kg. Im Vergleich erreicht der Hyundai Kona electric 150 kW eine Energiekapazität von 64 kWh bei einem Gewicht von 452 kg. Im Benchmarkingvergleich auf Zell-, Modul- und Systemebene können die Unterschiede nun technischen Maßnahmen zugeordnet werden. Damit werden Entwicklungsteams wertvolle Informationen für zukünftige Batterietechnologien an die Hand gegeben.
Neben der richtigen Zellauswahl, den Konstruktionsdetails auf Modul- und Systemebene nimmt auch das Thermomanagement eine wichtige Rolle ein. Es existieren verschiedene Kühlungskonzepte von der Luftkühlung über indirekte Kühlung mittels Kühlblechen oder Kühlplatten und Wasser-Glycol, Kühlung über Kältemittel bis hin zu direkter Kühlung mit dielektrischen Flüssigkeiten der Busbars oder der Zellen (Immersion Cooling).
Kosten
Die Hochvolt-Traktionsbatterie stellt bis zu 50 Prozent der Gesamtfahrzeugkosten in batterieelektrischen Personenkraftwagen (PKW). Es ist also essenziell notwendig, ein tieferes Verständnis zur Kostenstruktur der Batterie aufzubauen. Wesentlichen Anteil an den Batteriekosten haben die Batteriezellen. Im gezeigten Beispiel (Abbildung 3) stellen die Batteriezellen 64 Prozent der Gesamtbatteriekosten.
Moderne batterieelektrische PKW verwenden typischerweise Lithium-Ionen-Batterien mit NMC (Nickel-Mangan-Cobalt) Kathodenmaterial. Insbesondere teure Materialbestandteile, wie z. B. Kobalt, treiben die Zellkosten in die Höhe. Ein Ansatz zur Optimierung der Batteriezellkosten liegt demnach darin, den Kobaltanteil zu reduzieren. Abbildung 4 zeigt, wie von einer bis dato üblichen Gleichverteilung (NMC-111) Nickel reichere Zellmaterialien entwickelt werden (NMC-622, NMC-811, NMC-911). Durch eine solche Optimierung der Materialzusammensetzung können über 40 Prozent der Kathodenmaterialkosten reduziert werden. Weitere Anstrengungen in der Batteriezellentwicklung zielen auf die Erhöhung der Leistungsdichte. Eine höhere Leistungsdichte bedeutet ebenfalls eine Kostensenkung bei gleicher Batteriereichweite.

Weitere Kostentreiber in der Hochvolt-Traktionsbatterie sind Modul und Batterie Gehäuseteile, das Thermomanagement und das Batterie-Management-System (BMS). Nach recht komplexen Konstruktionen der frühen Batteriegenerationen, werden nun im Benchmarking der neuen Batteriegenerationen deutliche Ansätze in Richtung Modularität und Baukastenstrukturen erkennbar. Ziel ist die Realisierung von Skaleneffekten und die Vereinfachung der Montageprozesse.
In Summe führen die aufgezeigten Kostenreduktionsansätze zu weiter fallenden Batteriekosten und damit einer Erhöhung der Attraktivität von Elektrofahrzeugen. Sehen wir heute noch im Mittel Batteriepack-Kosten für vollelektrische PKW in Höhe von ca. 180 EUR/kWh, so wird sich dieser Wert bis 2030 auf unter 100 EUR/kWh halbieren. Eine Batterie mit einer Kapazität von 70 kWh wird dann statt 12.600 EUR weniger als 7.000 EUR kosten (Abbildung 5).

Globales FEV Benchmarking
Als global aufgestellter Entwicklungsdienstleister mit weltweit über 40 Standorten und zahlreichen Entwicklungszentren bietet FEV umfassende Benchmarking-Leistungen für ihre globalen Kunden. In vier Kernregionen (Europa, USA, China und Indien) wurden dedizierte Benchmarking-Standorte aufgebaut. So können lokale Rahmenbedingungen und Daten berücksichtigt und globale Programme parallel geführt werden.
FEV betreibt seit mehr als 25 Jahren detaillierte Benchmarking-Studien und kombiniert in einer einzigartigen Weise tiefes technisches Know-how und Cost-Engineering-Wissen mit strategischen Management-Beratungsmethoden. Das Leistungsspektrum beinhaltet ein umfassendes technisches Benchmarking, Teardown-Studien, Kosten-Benchmarking, eine Benchmark-Academy und verfügt über umfassende Benchmark-Datenbanken.
Neben typischen Fahrzeug- und System-Zerlegungsstudien mit einer professionellen Foto- und Videodokumentation erörtern FEV Ingenieure Konstruktionsdetails, Funktionen, Materialien und Fertigungsverfahren. Zur Durchführung detaillierter Leistungs- und Funktionstests verfügt FEV über ein umfassendes Spektrum an Testeinrichtungen: Diverse on-road Fahrzyklen, Teststrecke, Fahrzeugprüfstände und diverse Systemprüfstände für z. B. Verbrennungsmotoren, Turbolader, Getriebe, Batterien, Elektromotoren, Brennstoffzellen, Leistungselektronik und NVH-(Noise Vibration Harshness)-Analysen.
Neben dem Schwerpunkt in der Automobilindustrie werden Benchmarking-Programme im Nutzfahrzeugbereich, im Agrar- und Bausektor sowie zu anderen technischen Produkten durchgeführt.
In einem typischen Benchmark-Programm beschafft FEV das Zielfahrzeug und bestückt dieses mit entsprechender Messtechnik. Erste Tests bzgl. der Fahrleistung und des Energieverbrauchs können im Rahmen eines „Micro Benchmarkings“ durchgeführt werden, ohne das Fahrzeug zu beschädigen. Für weiterführende Detailuntersuchungen wird spezielle Messtechnik in die zu analysierenden Systeme eingebracht. Spezifische Fahrzyklen und Fahrzeugtests auf der realen Straße, der Teststrecke oder auf dem Rollenprüfstand liefern detaillierte Messdaten. Nach der Fahrzeugzerlegung bringen FEV Ingenieure die zu analysierenden Hauptkomponenten auf den Prüfstand. Zum Beispiel den Verbrennungsmotor, das Getriebe, die Hochvolt-Batterie oder den Elektromotor. Leistungskennlinien werden aufgenommen und Messdaten in FEV Streubänder (Scatterbands) übertragen, um sie mit anderen Messergebnissen in der FEV Datenbank zu vergleichen.
Nach erfolgten Performance-Tests analysieren FEV Cost-Engineering-Experten Materialien, Fertigungs- und Montageprozesse und führen eine detaillierte Should-Cost-Berechnung durch. Die Kostenanalyse liefert einen umfassenden Cost-Break-Down und zeigt wesentliche Kostentreiber auf. Mit Hilfe der erhaltenen Kostentransparenz können Kostensenkungsideen generiert und Zielkosten abgeleitet werden. Zusammengefasst liefert FEV ein einzigartiges Gesamtpaket an Benchmarking-Leistungen mit Kernergebnissen für Ihre Entwicklungen und Ihren unternehmerischen Erfolg.


Batterieelektrische Antriebe
FEV – Ihr Starker Partner bei der Batterieentwicklung
FEV – Ihr Starker Partner bei der Batterieentwicklung
Um die Ziele bei der Reduzierung der CO2 und Schadstoffemissionen zu erreichen, finden Hochvolt-Batterien immer häufiger im Automotive-Bereich Anwendung. Dies geschieht sowohl durch Nutzung bestehender Fahrzeugplattformen innerhalb von Hybrid- bzw. Plug-in-Hybrid-Konzepten, als auch auf Basis neuer, vollelektrischer Lösungen.
Zum einen ergänzen bzw. ersetzen Automobilhersteller aktuell ihre Fahrzeugportfolios mit elektrifizierten Anwendungen. Zum anderen gründen sich weltweit Start-Ups, die in unterschiedlichsten Ausprägungen elektrische Fahrzeuge entwickeln und auf den Markt bringen. Daraus ergibt sich ein hoher Unterstützungsbedarf zur Entwicklung von Hochvolt-Batterien, den FEV vom ersten
Konzept bis zur Serienreife, und darüber hinaus bis zur Rücknahme und dem Recycling, unterstützt.
Die beschriebenen Mechanismen sind nicht ausschließlich auf den automotiven Sektor beschränkt. Auch in Nutzfahrzeug-, Industrie- und Marineanwendungen finden zunehmend Untersuchungen statt, wie bisher durch Verbrennungsmotoren betriebene Fahrzeuge batterieelektrisch angetrieben werden können. Hier sind in erster Linie kleinere Nutzfahrzeuge, Baumaschinen oder kleinere Boote im Fokus.
Diese Veränderungen ermöglichen es, dass sich etablierte aber auch neue Hersteller größere Marktanteile sichern können. Der daraus resultierende Druck auf die Batterieentwicklung stellt innerhalb der Planungen der Hersteller häufig eine große Herausforderung dar. In aktuellen Projekten werden Elektroantriebe und Batterien häufig in bestehende Fahrzeugarchitekturen (sogenannte Mischarchitekturen) integriert, die sowohl für konventionelle als auch für elektrifizierte Antriebe konstruiert sind. Dies führt zu Batteriebauräumen mit starken Freiformflächen und komplexen oder doppelstöckigen Batterieaufbauten. Derartige Konfigurationen erhöhen den Entwicklungsaufwand signifikant insbesondere bei den Kühlsystemkomponenten, Hochvoltleitungen, Niedervoltkabelbäumen, Untersteuergeräten, Haltern und Fixierelemente.
Dennoch erfordert der Marktdruck, dass Batterieentwicklungsprojekte ohne nachträgliche Änderungen innerhalb der geplanten Zeitschiene durchgeführt werden.
Batteriezellen stellen den Kern jedes Hochvoltspeichers dar. Aus ihnen konfigurieren sich die Module, die dann innerhalb der entsprechenden elektrischen Verschaltungen Energie und Leistung der Batterie bestimmen.
Der enorme Bedarfsanstieg hat die Verfügbarkeit der unterschiedlichen Zelltypen und Produkte unterschiedlicher Hersteller stark eingeschränkt. Gerade kleinere Hersteller stehen daher vor großen Herausforderungen, die Zellverfügbarkeit für geplante Anwendungen sicherzustellen. Auch die Serienproduktion von Batteriesystemen kann sich als Hürde innerhalb einer Entwicklungsaktivität herausstellen. Gerade bei kleineren jährlichen Stückzahlen ist ein wirtschaftlich sinnvolles Konzept unter Umständen schwierig darzustellen. All dies kann einen nachhaltigen Einfluss auf den Verlauf von Entwicklungsprojekten haben.
FEV unterstützt hier mit der Erfahrung aus vielen Serienentwicklungsprojekten und kann frühzeitig die individuelle Situation bewerten sowie entsprechende Vorschläge machen, um eine stabile Basis für eine solche Entwicklungsaktivität zu schaffen. FEVs Engineering-Portfolio deckt dabei sowohl alle Entwicklungsaktivitäten, als auch bei Bedarf die Identifikation, Empfehlung und Qualifizierung eines Produktionspartners ab, der für den Kunden die Batterie in Serie produziert.
„FEV IST EIN STARKER PARTNER FÜR KLEINSERIEN-PRODUKTIONEN VON BATTERIESYSTEMEN UND ÜBERNIMMT ALLE NOTWENDIGEN PROZESSSCHRITTE“
Umfassendes Portfolio
FEV ist in der Lage, Entwicklungsdienstleistungen mit unterschiedlicher Ausprägung anzubieten. Die Basis des FEV Portfolios in der Batterieentwicklung beinhaltet alle notwendigen Dienstleistungen um, beginnend mit dem ersten Batterie-Konzept, bis zur Serie zu entwickeln und darüber hinaus zu betreuen.
Bei entsprechender Anforderung ist FEV darüber hinaus ein starker Partner für Kleinserienproduktionen von Batteriesystemen und übernimmt alle notwendigen Prozessschritte zur Vorbereitung und anschließender Kleinserienproduktion für Losgrößen bis 1.000 Stück pro Jahr.

Passende Lösungen
Batteriebetriebene Elektrofahrzeuge werden eine hohe Akzeptanz im Markt erlangen, wenn sie in allen kundenrelevanten Punkten mindestens gleichwertig mit konventionell angetriebenen Fahrzeugen sind.

- Reichweite
Eine der elementaren Anforderungen für Kunden ist die Reichweite. Kunden möchten nicht auf die gewohnten Vorzüge verbrennungsmotorisch angetriebener Fahrzeuge verzichten. Die Reichweite von Elektrofahrzeugen hängt direkt von dem verfügbaren Energieinhalt der Batterie ab. Da mit zunehmender Kapazität aber auch das Gewicht und das Volumen der Batterie ansteigen, ist eine möglichst hohe gravimetrische und volumetrische Energiedichte wünschenswert, um ein weiterhin attraktives Fahrzeug anbieten zu können.
Zur Überbrückung von größeren Distanzen muss der Fahrer zum Nachladen der Batterie einen Zwischenstopp einlegen. Dieser Vorgang darf nicht signifikant länger dauern als bei kraftstoffbetriebenen Fahrzeugen. Daher ist eine weitere Anforderung, die Ladedauer durch optimierte Schnellladefähigkeit zu verkürzen. Die Gesamtkapazität der Speicher wird nach aktueller Prognose auf 50–75 kWh (Massenmarkt) bzw. 80 – 120 kWh (Premiumsegment) anwachsen. Die Ladedauer für eine Anhebung des State-of-Charge (SoC) von ~10–80 Prozent wird sich zusätzlich auf voraussichtlich 15 Minuten (Premiumsegment) bzw. 30 Minuten (Massenmarkt) reduzieren. Daraus ergeben sich benötigte Ladeleistungen von bis zu 350 kW, die infrastrukturseitig bereitgestellt werden müssen.
Um die Energiedichte zu erhöhen, werden die Materialzusammensetzungen der Anode und Kathode weiter optimiert. Aktuell wird anodenseitig ein Si/C-Komposit verwendet, für die Kathode hingegen wird der Nickelanteil weiter erhöht. Langfristig bietet die Feststoffbatterie möglicherweise ein großes Potential. Um die Schnellladefähigkeit zu optimieren, kann sowohl das Zelldesign (Feststoffbatterie) angepasst, als auch das Thermomanagement weiter optimiert werden. Weiterhin muss auch das Verbindungs- und Kontaktiersystem hinsichtlich der Stromtragfähigkeit verbessert werden.
- Fahrleistung
Früher verfügbare, reine Elektrofahrzeuge zeugten primär von zurückhaltenden Fahrleistungen und haben damit bei Kunden ein erstes Image kreiert. Aktuelle Modelle müssen diese Vorurteile aufheben und den Kunden den gewohnten Fahrkomfort bieten oder übertreffen. Hierfür sind gute Beschleunigungswerte und die Möglichkeit zum wiederholten Abruf der maximalen Leistung sowie eine dauerhafte Fahrt bei maximaler Geschwindigkeit ohne Einschränkung wichtige Kriterien.
Zum Erreichen solcher Beschleunigungswerte sind hohe maximale Stromstärken im Bereich von 1.200–2.000 A für 4–10 Sekunden notwendig. Für den wiederholten Abruf maximaler Leistung sind hohe Ströme in einem Zeitraum von 30–120 Sekunden und für eine Fahrt bei maximaler Geschwindigkeit hohe Dauerströme notwendig. Dabei muss vermieden werden, dass die Zellen (~50 °C) oder Leitungen (~100–150 °C) ihre maximal zulässige Temperatur übersteigen. Das erfordert, den Strompfad vom Aktivmaterial der Zelle bis hin zum Inverter und E-Motor zu optimieren. Dies beinhaltet unter anderem interne Zellverbindungstechnik, Stecksysteme, Trennsysteme und Sicherheitseinrichtungen. Zur Vermeidung einer Überhitzung müssen die Zellen aktiv (bspw. mit Wasser-Glykol) und die Leitungen passiv oder aktiv (bspw. durch Heatpipes) gekühlt werden.
- Lebensdauer
Eine weitere, aktuell große Herausforderung, ist die Alterung von Li-Ionen-Batterien. In der Vergangenheit haben Kunden teilweise negative Erfahrungen mit der Lebensdauer von Li-Ionen-Batterien in Consumer-Produkten (Notebooks, Smartphones, Digitalkameras etc.) gemacht. Auch bei modernen Li-Ionen-Batterien ist die Lebensdauer abhängig von Nutzung, Zeit und Temperatur. Fällt der nutzbare Energieinhalt – bezogen auf den neuen Zustand – auf unter 80 Prozent oder weniger State-of-Health (je nach Zellchemie und -hersteller), ist die Nutzung der Batterie für den Gebrauch in einem batterieelektrischen Fahrzeug nicht mehr sinnvoll. Wenn dies im Batteriedesign berücksichtigt wird (Hardware und Software), kann die Batterie darauf folgend in einem 2nd-life-Einsatz z. B. als stationärer Pufferspeicher verwendet werden. Aktuell kann eine Li-Ionen-Batterie in automobilen Anwendungen 8–10 Jahre verwendet werden. Ziel ist es mittelfristig, einen Zeitraum von 15 und langfristig bis zu 20 Jahren zu erreichen. Neben der kalendarischen muss auch die zyklische Alterung betrachtet werden. Derzeit liegt diese bei 150.000–250.000 km bis die Li-Ionen-Batterien 80 % SoH erreicht haben.
Um die kalendarische Alterung zu verringern, muss die Durchschnittstemperatur der Zellen durch ein effektives Thermomanagement reduziert werden. Die zyklische Alterung entspricht bei State-of-the-Art-Zellen etwa 1.000–2.000 Vollzyklen mit je 80 Prozent Entladetiefe. Der optimale Arbeitsbereich der Zellen liegt dabei zwischen 10–25 °C (Parken) und 40 °C (Fahren). Anhand von Simulationen kann FEV eine Bewertung der Lebensdauer bei unterschiedlichen Stress- und Nutzungsprofilen durchführen. Für eine Optimierung der zyklischen Alterung sind Verbesserungen der Stabilität der Zellchemie (Elektrolyt, Beschichtung, Nanostruktur der Elektroden und weitere) notwendig, um die irreversiblen Prozesse (z. B. Elektrolytzersetzung, Bildung einer SEI-Schicht) zu reduzieren.
„UM DIE SCHNELLLADE-FÄHIGKEIT ZU OPTIMIEREN, KANN SOWOHL DAS ZELLDESIGN ANGEPASST, ALS AUCH DAS THERMOMANAGEMENT WEITER OPTIMEIRT WERDEN.“
- Sicherheit
Für die Sicherheit eines Hochvoltspeichers muss zwischen der Gebrauchssicherheit (GeSi) und der Funktionalen Sicherheit (FuSi) unterschieden werden. Während die Gebrauchssicherheit garantieren soll, dass keine Sicherheitsrisiken bei erwartungsgemäßem Gebrauch oder Fehlgebrauch auftreten, sorgt die Funktionale Sicherheit auf Basis der ISO26262 dafür, dass keine Sicherheitsrisiken bei Ausfall von Elektronikfunktionen auftreten.
Mittels der Gebrauchssicherheit werden Risiken identifiziert, bewertet und durch Maßnahmen minimiert. Zu den Risiken gehören insbesondere ein Thermisches Durchgehen, Kühlmittelleckage, HV-Berührschutz und Crashsicherheit. Werden für die Vermeidung dieser Risiken funktionale Maßnahmen genutzt, fallen diese unter die FuSi und müssen robust gemäß ASIL-Integrität sein.
Zum Absichern eines Thermischen Durchgehens werden in einem ersten Schritt durch die Gebrauchssicherheit die Zellen vor Überstrom und Über-/Unterspannung (Über-/Tiefenentladung) geschützt. Das Funktionale Sicherheitskonzept von FEV sichert in einem weiteren Schritt durch geeignete Hardware (Sensorik, Aktorik) und Software die Zellen zusätzlich nach ASIL-Integrität (A-D) ab.
„DIE BASIS DES FEV PORTFOLIOS IN DER BATTERIEENTWICKLUNG BEINHALTET ALLE NOTWENDIGEN DIENSTLEITUNGEN – VOM ERSTEN BATTERIE-KONZEPT BIS ZUR SERIE UND DARÜBER HINAUS DER BETREUUNG“
- Kosten
Aktuell sind batterieelektrisch angetriebene Fahrzeuge vor allem aufgrund der Batterie für den Kunden teurer als solche, die bei vergleichbaren Produkteigenschaften mit einem Verbrennungsmotor ausgestattet sind. Optimistische Prognosen sagen voraus, dass bis 2023/24 erste Elektrofahrzeuge den Kaufpreis eines gleichwertigen Verbrenners erreichen werden.
Aus diesem Grund ist es notwendig, die aktuell hohen Kosten der Zellproduktion – bezogen auf den Energieinhalt in kWh/kg – zu reduzieren. Auf der einen Seite wird das durch eine höhere Energiedichte bei nahezu gleichbleibendem Materialeinsatz erreicht werden können. Auf der anderen Seite sind Rohstoffförderung, Verarbeitung, Automatisierung der Produktion und kostensenkende Maßnahmen im Zelldesign erforderlich, um die resultierenden Kosten pro kWh zu senken.
Eine vielversprechende Maßnahme zur Reduzierung der Zellkosten ist die Substitution des relativ teuren Rohstoffes Kobalt in der Kathode durch günstigeres Nickel. Der höhere Nickelanteil verhilft zusätzlich zur Erhöhung der Reichweite, wobei der Nickelanteil schrittweise im Verhältnis N:M:C (Nickel-Mangan-Cobalt) von 111 über 532 und 622 bis hin zu 811 erhöht wird („High-Ni-Roadmap“). Diese Maßnahmen stehen aber in einem Trade-Off mit der Stabilität und folglich der Sicherheit und Lebensdauer, die nicht vernachlässigt werden darf.
Zielkonflikte
Die Erhöhung des Nickelanteiles innerhalb der Zelle ermöglicht eine höhere Reichweite bei zeitgleich kurzen Ladevorgängen. Diese Erhöhung sorgt hingegen auch für ein thermisch instabileres System, wodurch die Herausforderungen an die Sicherheit wachsen. Zudem wird die kalendarische und zyklische Alterung erhöht, was die Lebensdauer verringert. Positiv wirkt sich hingegen die Substitution des Kobalts durch Nickel auf die Kosten aus. Durch das veränderte Zelldesign besteht beim Schnellladen jedoch eine erhöhte Gefahr von Lithium-Plating und Übertemperatur, was zu Kapazitätsverlust und Thermal Runaway führen kann. Ein optimiertes Schnellladen sorgt durch höhere Ströme für eine höhere thermische Belastung, wodurch sich die Herausforderung für die Sicherheit erhöht. Außerdem sorgen die höheren Ströme für ein verstärktes Lithium-Plating, das die Lebensdauer einschränkt.
Zur Erhöhung der Fahrleistung wird das Gesamtsystem einer höheren Strombelastung ausgesetzt. Dabei steigt das Risiko einer Überlastung der einzelnen Komponenten, welche zu ei-nem thermischen Event oder dem Verlust des Isolationsschutzes führen kann. Weiterhin haben die höheren Ströme einen Einfluss auf die zyklische, durch höhere Durchschnittstemperaturen auch auf die kalendarische Alterung, und damit eine verkürzte Lebensdauer der Li-Ionen-Batterien. Zusätzlich müssen die Leitungen und (Steck-)Verbindungen robuster ausgelegt werden, dadurch entstehen zusätzliche Kosten wegen geändertem Materialbedarf. Soll die Sicherheit erhöht werden, erhöht dies die Kosten ebenfalls, da weitere funktionale Maßnahmen durch Hardware (Sensorik, Aktorik) und Software (Algorithmen, Funktionen) notwendig werden. Ebenso können größere Sicherheitsvorhalte im Batterie-Management-System die maximale Leistung, Leistungsreproduzierbarkeit und Reichweite einschränken.
FEV berät mit einem Team aus international anerkannten Spezialisten an verschiedenen Standorten OEMs, Tier-1 Supplier und Zellhersteller oder übernimmt gesamte Projekte im Rahmen einer Generalentwicklung. Erste energetische oder technische Konzepte werden dabei erstellt und abgestimmt, um sie anschließend über die Serienentwicklungsprozesse zum Start-of-Production zu konkretisieren. Neben dem Auflösen der beschriebenen Zielkonflikte in den Entwicklungsphasen können Prototypenbatterien und Kleinserien aufgebaut werden und auf eigenen Prüfständen für Zelle, Modul und Pack validiert werden


BMS
Die Schlüsselkomponente von E-Fahrzeugen: Das Batterie-Management-System
Die Schlüsselkomponente von E-Fahrzeugen: Das Batterie-Management-System
Batterie-Management-Systeme (BMS) werden für das präzise Monitoring und Steuern der wichtigsten Komponente aller E-Fahrzeuge, der Lithium-Ionen-Batterie, benötigt. Seit 2006 entwickelt FEV Batterie-Management-Systeme kontinuierlich weiter und ist aufgrund der erfahrenen Mitarbeiter ein gefragter Partner bei der Hardware- und Software-Entwicklung für BMS. Das angebotene Portfolio von FEV reicht von der Entwicklung einzelner komplexer Softwarefunktionen, wie dem State-of-Health (SoH), über die Bereitstellung einer BMS-Entwicklungsumgebung für Forschungszwecke bis hin zur Turn-Key-Entwicklung einer kompletten, kundenspezifischen BMS-Lösung inklusive eines dazu erforderlichen, funktionalen Sicherheitskonzepts. Hierbei kann auf die serienreife FEV BMS-Software sowie die erprobte FEV BMS-Hardware zurückgegriffen werden. Das Besondere hieran ist, dass diese sowohl als Black-Box- als auch White-Box-Lösung zur Verfügung gestellt werden können.
Die Leistungsfähigkeit von Batterien wird neben der Auswahl passender Batteriezellen auch von der Qualität der Steuerung beeinflusst. Für das Batterie-Management-System, welches eines der Kernsysteme bei der Batterieentwicklung ist, hat FEV bereits 2006 mit der Entwicklung eigener BMS-Steuergeräte begonnen und besitzt nun ein modulares BMS-System in der vierten Generation, welches je nach Projektanforderungen flexibel und schnell eingesetzt und unterschiedlich kombiniert werden kann. Dies umfasst die Batterie-Management-Unit (BMU), verschiedene Cell-Monitoring-Units (CMU) für 12, 15 oder 18 Batteriezellen sowie die Isolation-Monitoring-Unit (IMU). Die BMU bildet dabei die zentrale Einheit, welche die CMUs, die dezentralen Messeinheiten, steuert.
Durch die Entwicklungs- und Absicherungstätigkeit in zahlreichen Projekten mit unterschiedlichsten Anforderungen und Batteriearchitekturen verfügen die Hardwarekomponenten über ein B-Sample Reifegrad und können neben dem Einsatz in Prototypen auch als White Box für die Serienentwicklung erworben werden. Während der Weiterentwicklung ist neben der technischen Reife genauso die Verfügbarkeit der verbauten Komponenten im Fokus, wodurch auch dem Thema des Obsoleszenz-Management Rechnung getragen wird.
Die fünfte Generation der Hardware befindet sich derzeit in einer fortgeschrittenen Entwicklungsphase. Diese eignet sich für den Einbau mit Batterie-Systemen mit 48 V bis zu 800 V. Batterien mit einem oder mehreren Strängen sowie schaltbare 400 V / 800 V Batterien können hiermit gesteuert und überwacht werden. Ein weiterer Vorteil der fünften Generation sind vier CAN Kommunikationskanäle sowie die Unterstützung von CAN-FD, Wake-Up über CAN und Partial Networking. Neben CAN hat die BMU zwei LIN-Kanäle sowie zahlreiche allgemeine Ein- und Ausgänge, um den unterschiedlichen Kundenanforderungen gerecht zu werden. Eine maßgeschneiderte Entwicklung nach Kundenanforderung für den Serieneinsatz ist ebenso Bestandteil des Portfolios.
Eine einzelne CMU von FEV überwacht die Temperatur und Spannung von maximal 18 Batteriezellen. Aufgrund der selbst entwickelten Hardware und dem einfachen, modularen Design kann diese kurzfristig für den Entwicklungsprozess verschiedenster Batteriekonfigurationen mit geringem Aufwand angepasst werden. Bei der Entwicklung wurde auch das Thema „Kostenoptimierung“ betrachtet. Hierbei wurde eine Einsparung von Bauteilen wie zum Beispiel Steckern aber auch die Reduktion des Test- und Fertigungsaufwands verfolgt.
Für die Entwicklungsphase hat FEV mit dem Campus Controller eine frei programmierbare Steuereinheit entwickelt, die verschiedene Funktionen des BMS oder anderer Steuergeräte übernehmen kann, u. a.:
- Bussimulation
- Manipulation von Sensorsignalen
- CAN-Gateway
- Lüfterdrehzahlregelung
In Kombination mit dem FEV Projekt „VISION“, einer Bluetooth-basierten Visualisierungslösung, ist das System ein leistungsfähiges Werkzeug für verschiedenste Entwicklungszwecke.
In diesem Projekt widmet sich FEV dem Thema Mensch-Maschine-Interface für Prototypenfahrzeuge. „VISION“ besteht zum einen aus der echtzeitfähigen CAMPUS-Hardware, die in diesem Zusammenhang CAN-Gatewayfunktionen übernimmt, und zum anderen aus einem Tablet mit entsprechender App. Die CAMPUS-Hardware übernimmt die Rolle des Cyber-Security-Gateways und verbindet das CAN-Netzwerk der Batterie oder des Fahrzeugs über eine Bluetooth-Schnittstelle mit dem Tablet. Hierbei wird sichergestellt, dass nur die relevanten Botschaften gelesen bzw. gesendet werden. Die Datenverbindung ist bidirektional realisiert, damit zum einen die relevanten Systeminformationen wie beispielspeise Ladezustand der Batterie, Leistungsbedarf sowie Drehzahlen des Motors auf dem Tablet angezeigt werden können und zum anderen auch Befehle von verschiedenen Eingabeinstrumenten (z. B. Knöpfen oder Slidern) an die Fahrzeugsteuergeräte gesendet werden können. Durch die kabellose Anbindung kann sich dieses zu Präsentationszwecken auch außerhalb des Fahrzeugs befinden oder an die Interessenten überreicht werden, um technische Daten während der Probefahrten sehen zu können.
Über die Internetverbindung der Tablet-Hardware ist es außerdem möglich, Informationen mit Servern im Internet auszutauschen und so beispielsweise die gemessenen Daten zu protokollieren.
Die Anwendungssoftware: entscheidend für die Performance des Batteriespeichers
Die Software eines Batterie-Management-Systems ist von entscheidender Bedeutung für die Performance des Batteriespeichers über die gesamte Lebensdauer und hat einen direkten Einfluss auf zentrale Eigenschaften des Fahrzeugs – beispielsweise auf die Reichweite bei reinelektrischen Fahrmodi (PHEV, BEV). Darüber hinaus übernimmt das BMS häufig Funktionen wie die Ladezeitprognose oder die Berechnung der verfügbaren Leistung, die direkt vom Kunden wahrgenommen werden und daher das Fahrzeug-Erlebnis beeinflussen. Eine präzise Berechnung von Kenngrößen, wie z. B. State-of-Charge (SoC) und auch State-of-Health (SoH), ist die Basis für eine optimale Ausnutzung des Speichersystems, jedoch gleichzeitig sehr herausfordernd, da es sich um Werte handelt, die nicht direkt gemessen werden können. Weiterhin ist die Software wichtiger Bestandteil der Sicherheitsmechanismen, die die Sicherheit des Batteriesystems im Betrieb garantieren.
Die FEV BMS-Software wurde seit 2006 stetig weiterentwickelt und ist dank einer modularen Architektur mit schlanken, AUTOSAR-kompatiblen Interfaces flexibel und mit wenig Aufwand auf verschiedensten BMS-Systemen einsetzbar.

So kommt die Software bereits für unterschiedlichste Batteriesysteme zum Einsatz – von kleinen 12 V- und 48 V-Systemen bis hin zu Hochvolt-Batterien mit flexiblen Verschaltungsmöglichkeiten. FEV greift hier auf eine breite Erfahrung zurück, da in vielen Projekten die individuellen Anforderungen des jeweiligen Kunden erfüllt werden müssen. Diese ergeben sich beispielsweise aus Unterschieden im E/E-Layout bzw. der Architektur des Batteriespeichers oder auch der funktionalen Integration in das Fahrzeug. Grundsätzlich ist die Software in drei Bestandteile aufgeteilt, diese sind die Applikations-, Safety- und die Basissoftware.
Die FEV BMS-Applikationssoftware wird modellbasiert entwickelt und enthält Features wie beispielsweise Leistungs-/Stromfreigabe, Laderegelung, SOC/SOH Berechnung, Balancing, Schützsteuerung und Batteriediagnosen. Sie kommt sowohl auf der FEV BMS-Hardware zum Einsatz als auch auf Steuergeräten von Zulieferern der Kunden. Die Portierung der Applikationssoftware auf andere Plattformen wurde bereits in mehreren (Serien-)Projekten durchgeführt und das Interface dabei immer weiter optimiert, um den Anpassungsaufwand so gering wie möglich zu halten. Dies gilt auch für die Schnittstellen zum Fahrzeug. Alle relevanten Größen lassen sich parametrieren bzw. kalibrieren, dies ist ein weiterer entscheidender Faktor für die Flexibilität der Software. Dem Thema „Verifikation und Validierung“ der Software kommt dabei besonderes Augenmerk zuteil. Hierbei wird auf die Testmethoden und -tools des FEV Embedded Systems Test Center (FEST) sowie einem HIL-Testsystem für Batterie-Management-Systeme zurückgegriffen, welches bis zu 192 Einzelzellen emulieren kann.

Die FEV BMS-Basissoftware stellt eine Entwicklung für FEVs eigene BMS-Hardware dar. Sie realisiert die Anbindung an die Hardware-Komponenten der BMU und CMUs und stellt der Applikationssoftware neben den Messwerten und I/Os verschiedene Services bereit, beispielsweise das Speichern von Werten im „non-volatile memory“. Neben der Entwicklung der BMS-Software unterstützt FEV auch OEMs und Zulieferer bei der Entwicklung ihrer BMS Applikations- und/oder Basissoftware.
Gesamtlebenszyklus Funktionale Sicherheit (FuSi)
Die Entwicklung des funktionalen Sicherheitskonzepts kann entweder für ein spezifisches Fahrzeug oder auch fahrzeugunabhängig als alleinstehendes Produkt („components-off-the-shelf“) geschehen. Erfolgt die Entwicklung für ein bekanntes Fahrzeug, gliedert sich die Entwicklung des Batteriesystems direkt in den FuSi-Lebenszyklus des Gesamtfahrzeugs ein. Dies ist normalerweise bei FEV Entwicklungen der Fall. Erfolgt die Entwicklung hingegen fahrzeugunabhängig („safety element out of context“), wird ein Teil des FuSi-Gesamtlebenszyklus für die Batterie befolgt. Die Integration in den Gesamtfahrzeuglebenszyklus erfolgt dann zu einem späteren Zeitpunkt durch den Fahrzeughersteller. Die Annahmen müssen auf Gültigkeit überprüft werden und notwendige Änderungen über das Änderungsmanagement abgewickelt werden.
„DIE FEV BMS-APPLIKATIONSSOFTWARE WIRD MODELLBASIERT ENTWICKELT“
Betrachtete Aspekte
Die funktionale Sicherheit befasst sich mit Risiken, die durch mögliche Fehlfunktionen von E/E-Systemen durch systematische Software- oder zufällige Hardwarefehler ausgelöst werden. Um das Batteriesystem nach heutigem Standard ausreichend sicher zu entwickeln, folgt FEV den Entwicklungsprinzipien der Norm ISO26262. Bestimmte Gefährdungen, wie beispielsweise durch chemische Gefahren oder durch elektrischen Schlag, werden dabei nur dann als Teil der funktionalen Sicherheit betrachtet, wenn die Gefahr direkt durch die E/E-Funktion verursacht wird. Das bedeutet, übertragen auf das Batteriesystem, dass die Vermeidung von elektrischem Schlag in erster Linie durch die HV-Sicherheit abgedeckt wird. HV-Isolierungen und Berührungsschütze fallen daher nicht in den Bereich der funktionalen Sicherheit. Dennoch können auch E/E-Funktionen der HV-Sicherheit dienen und trotzdem in den Bereich der funktionalen Sicherheit fallen. Dies ist der Fall bei der Abschaltung des HV-Systems bei einem Unfall, da hier die aufgrund der HV-Sicherheit getroffenen Maßnahmen wie Isolierung beschädigt werden können und daher nicht mehr als ausreichend betrachtet werden.
Konzeptphase
In der sogenannten Konzeptphase werden Risiken bewertet, die durch Fehlfunktionen der implementierten Funktionen des Systems entstehen können. Das Resultat dieser Gefahrenanalyse und Risikobewertung (GuR) sind die Sicherheitsziele für das System. Der Umfang der notwendigen Risikoverminderung wird durch das ASIL bestimmt, das mit den Buchstaben A bis D klassifiziert wird.
Ein typisches Beispiel für ein Sicherheitsziel eines Batteriesystems ist „Das System soll ein thermisches Durchgehen der Batterie vermeiden“ (typischerweise bei FEV mit ASIL C bis ASIL D bewertet). Diese Sicherheitsziele sind Anforderungen, die auf der obersten Ebene liegen. Ausgehend von diesen Sicherheitszielen wird ein funktionales Sicherheitskonzept entwickelt, das durch funktionale Sicherheitsanforderungen beschrieben wird. Teil des Sicherheitskonzepts sind neben der Detektion auch die Notfallmaßnahmen, die eingeleitet werden. Die Erstellung des FSK wird häufig bereits mit Fehlerbaumanalysen unterstützt.

Produktentwicklungsphase
Im Anschluss an die Konzeptphase folgt die Systementwicklungsphase. In dieser Phase werden die funktionalen Anforderungen in technische Anforderungen überführt. Parallel zu diesem Schritt wird die technische Systemarchitektur entwickelt. In dieser Phase, sind in Abhängigkeit des ASIL, der Sicherheitsziele, Fehlerbaumanalysen und FMEA durch den Standard ISO26262 vorgeschrieben. Von hieraus wird dann in die Phasen HW- und SW-Entwicklung verzweigt und die Sicherheitsanforderungen werden in diese Entwicklungsphasen eingespeist.
FEV Test Bench BMS (T-BMS) für Batterie- und Modulprüfstände
Das Batterie-Management-System von FEV ist auch für andere Anwendungen, wie etwa dem Einsatz am Prüfstand, geeignet. Für diesen hat FEV ein universell einsatzbares Prüfstands-BMS (T-BMS) für Batteriemodule entwickelt, eine Erweiterung für die Untersuchung kompletter Batterien ist ebenso möglich.
Das System basiert auf einer FEV BMU und einer oder mehrerer FEV CMU(s) und dient der Erfassung von Zellparametern und deren Überwachung sowie der Berechnung von weiteren Kenngrößen wie z. B. State-of-Charge (SoC). Hierbei können kundenspezifische Funktionen zur Berechnung der notwendigen Parameter auf dem T-BMS implementiert werden. Sämtliche erfasste Parameter können an den Prüfstand übertragen werden, um diese aufzuzeichnen, auszuwerten und für den Testablauf zu nutzen. Das T-BMS ist selbstverständlich mit den FEV Batterieprüfständen sowie FEV MORPHEE nutzbar, womit eine Komplettlösung (siehe Seite 30) zum Testen von Batteriemodulen angeboten werden kann. Aufgrund des einfach anzupassenden CAN-Interface kann das T-BMS jedoch auch auf anderen Prüfständen genutzt werden.
Über eine graphische Benutzeroberfläche ist es möglich alle wesentlichen Parameter des System zu kalibrieren, wie zum Beispiel die Anzahl der verbundenen Zellen. Hierdurch ist eine einfache Anpassung auf verschiedene Testanforderungen realisierbar.


Das PPV als innovative Lösung für den Automobiltrend „Carsharing"
Personal Public Vehicle (PPV)
Personal Public Vehicle (PPV)
Die Shared Mobility gilt aktuell als eines der wichtigsten Trendthemen in der Automobilindustrie. Wie alle urbanen Mobilitätskonzepte der Zukunft erfordert sie eine enge Anbindung an die gesellschaftliche Zukunftsforschung. Hinsichtlich neuer Fahrzeugkonzepte des Carsharings ergibt sich daraus die Aufgabe, sämtliche kostenverursachende Faktoren zu erfassen und sie bezüglich ihres Einflusses auf die Wirtschaftlichkeit und Fahrzeugkonstruktion zu analysieren. FEV, share2drive und die FH Aachen arbeiten gemeinsam an der zukünftigen Fahrzeugklasse der Personal Public Vehicles (PPV) als Beförderungsmittel und Schnittstelle zwischen öffentlichem und individuellem Verkehr.
>> BIS 2030 WERDEN MINDESTENS ZEHN PROZENT DER FAHRZEUGE WELTWEIT IN MOBILITÄTSDIENSTEN GENUTZT
Wenn es im Kontext der Shared Mobility darum geht, relevante Formen von städtischen Mobilitätsdienstleistungen aus Sicht des individuellen Mobilitätsbedürfnisses zu beschreiben und Geschäftsmodelle mit speziellen Fahrzeugkonzepten zu bewerten, kommt das sogenannte Urban Mobility Trait (UMT) zum Einsatz (Abbildung 1).
Hieraus erschließt sich etwa, dass die Mobilitätsdienstleistung beim Free-Floating-Carsharing aus dem Teilen von Fahrzeugen besteht, die von Unternehmen für ihre Kunden bereitgestellt werden. Letztere wiederum fungieren dabei als Fahrzeugführer. Generell wird beim Free-Floating Carsharing nur eine geringe Anzahl an Personen befördert und die Fahrstrecke liegt meist bei weniger als acht Kilometern. Anders sieht es beim sogenannten Ride Selling aus, zu dem beispielsweise die Unternehmen Uber oder Lyft zählen. Hierbei bieten Privatpersonen mit ihren eigenen Fahrzeugen Chauffeurdienstleistungen an. Letztlich entscheiden die Nutzungsbedürfnisse der Kunden darüber, welche Mobilitätsdienstleistung sie in Anspruch nehmen. Relevant ist hierbei neben den Kosten der Fahrt auch die Zeit die benötigt wird, bis Nutzer ihr Ziel erreichen können. Ebenfalls von Bedeutung sind die Einfachheit der Dienstleistung gepaart mit Komfort und potenziellem Zusatznutzen, den die Nutzer durch sie erfahren – beispielsweise, die Fahrtzeit für private oder berufliche Aufgaben nutzen zu können (Abbildung 2).

Abb. 2: Ableitung der Fahrzeuganforderungen aus den Mobilitäts- und Geschäftsmodelbedürfnissen (Quelle: share2drive/ FHAachen)
Es sind also neue Ansätze bei der Transportdienstleistung gefragt. Die share2drive GmbH mit Sitz in Aachen folgt genau diesem innovativen Ansatz. Sie ist ein junges Unternehmen, das als Spin-off aus der FH Aachen hervorging. Der Unternehmenszweck ist die Bereitstellung fortschrittlicher Mobilitätskonzepte im Umfeld des Carsharings. Einer der wesentlichen Bestandteile des Geschäftsmodells ist dabei das PPV – ein Fahrzeug, das in Kooperation mit FEV und ihren Tochterunternehmen speziell für die Nutzung im Carsharing entwickelt wird.
Marktfähige Fahrzeuge für die Shared Mobility
Neue Mobilitätsdienstleistungen im Kontext des UMT haben einen disruptiven Einfluss auf die bestehende Wertschöpfungsstruktur innerhalb des Automobilsektors, da Akteure aus der IKT- und Energiebranche neben etablierten Mobilitätsdienstleistern verstärkt mit neuen Geschäftsmodellen auf den Mobilitätsmarkt drängen. Gleichzeitig orientieren sich insbesondere die großen Tier 1 Supplier in der Automobilzulieferindustrie neu, um auf Marktveränderungen, etwa durch neu erscheinende Fahrzeughersteller, zu reagieren. Was neben der weiteren Diversifizierung von Fahrzeugmodellen für Endkunden außerdem erwartet werden kann ist, dass verstärkt auch Fahrzeuge für Mobilitätsdienstleister in den Fokus der OEMs rücken [1]. So prognostizieren diverse Studien, dass bis 2030 mindestens zehn Prozent der Fahrzeuge weltweit in Mobilitätsdiensten genutzt werden [2].
Der Wettlauf um Fahrzeugmodelle für diesen Sektor hat also begonnen. Und damit auch die mit dem UMT einhergehende Differenzierung, ob sogenannte Purpose Vehicles im Sinne von „Sharing a Vehicle“ oder in der Bedeutung von „Sharing a Ride“ sowie „Driver on Board“ oder „Be the Driver“ konzipiert werden. Denn nur solche Fahrzeugkonzepte sind marktfähig, die einer soliden Marktdurchdringung bei gleichzeitig attraktiver Total-Cost-for-Ride-Betrachtung entsprechen. Für ein neues Fahrzeugkonzept bedeutet dies, dass alle kostenverursachenden Faktoren erfasst und analysiert werden müssen. Dazu zählen unter anderem die Fahrzeuge, deren Wartung, die Aufwendungen für Infrastruktur und IKT sowie der eigentliche Betrieb. Diese Kosten müssen sich in einem wirtschaftlichen Geschäftsmodell abbilden und es gilt, den Einfluss der Fahrzeugkonstruktion für jeden der genannten Faktoren zu berücksichtigen.
Das PPV als neuer Ansatz bei Shared Cars
Die bislang in städtischen Mobilitätsdienstleistungen genutzten (Elektro-) Fahrzeuge erfüllen nur bedingt ihren Einsatzzweck, da sie originär auf eine Endkundennutzung ausgelegt sind. Dabei werden von den Flottenbetreibern nur geringfügige Modifikationen, insbesondere im Bereich der Zugangsmöglichkeiten, an den Fahrzeugen selbst vorgenommen. Im Zuge der Verwendung in einem urbanen, auf dem Teilen beruhenden Mobilitätskonzept rücken jedoch sehr spezielle Anforderungen der Betreiber als auch der Fahrzeugnutzer zunehmend in den Fokus. Gleichzeitig müssen Fahrzeuge in neuen Mobilitätsdienstleistungen und in einer multimodalen Welt als „Rolling Devices“ verstanden werden. Daraus folgt, das Anforderungsprofil eines „perfekten“ Sharing-Fahrzeugs nicht wie sonst üblich über eine konventionelle Kundenanalyse, sondern aus dem Mobilitätskonzept sowie einem Geschäftsmodell zu entwickeln. Entsprechende Anforderungen aus dem Carsharing-Betrieb sind in gemeinsamer Forschung der FH Aachen und Cambio Aachen sowie aus Veröffentlichungen des Bundesverbands CarSharing e. V. entstanden (Abbildung 3).
Der Gedanke bei der Konzeption des PPV ist es, ein realistisches Fahrzeug zu entwickeln, das nicht dem aktuellen Trend „schwereloser“ Showcars folgt, sondern sich als eine zeitnahe Antwort auf Shared-Mobility-Anforderungen der Zukunft versteht. Das für das PPV 1.0 erstellte Fahrzeuglastenheft adressiert eine europäische Homologation. Der Entwicklungsprozess folgt im Package-Engineering einer einheitlichen Darstellung der Package-Informationen gemäß der ECIE-Norm (European Car Manufacturers Information Exchange Group).
Dies ermöglicht einen herstellerübergreifenden Vergleich des ergonomischen und technischen Fahrzeug-Packages. Während der Konzeptentwicklung wird zusätzlich in Hardware eine modulare, leicht änderbare Innenraum-Sitzkiste für die Verifizierung der anspruchsvollen Innenraumvorgaben verwendet. Die Absicherung der funktionalen Ziele (zum Beispiel für den Crashfall) erfolgt durch entsprechende Simulation nach der Finite-Elemente-Methode mit dem Programm LS-Dyna.
Maße und Aufbau: Die größte Herausforderung stellt sich durch die Mobilitätsvorgabe, ein Fahrzeug in der M1-Klasse zu konzipieren. In dieser Klasse sind nur Fahrzeuglängen von unter 2,5 m (Quereinparken erlaubt) und einer Breite von circa 1,7 m zulässig. Gleichzeitig müssen, um 95 Prozent aller denkbaren Fahrten zu bedienen, drei Personen im PPV 1.0 Platz finden. Die Vorgabe, dass der Innenraum ein freundliches, großzügiges Innenraumangebot bieten soll, erschwert die Konzeption zusätzlich. Das PPV schafft diesen Spagat mit einem One-Box-Design mit Dreier-Sitzbelegung (1+2-Sitzer) in einer Reihe. Der Antriebsstrang wird hochintegrativ und package-effizient mit der Bodengruppe abgestimmt. Ein neuartiges Rohbaukonzept erlaubt eine weit nach vorne platzierte Windschutzscheibe. Ein wichtiges Konzeptmerkmal ist hierfür die zurückversetzte A-Säule und sehr große Glasflächen. Ein weiterer Bestandteil des Aufbaukonzepts stellt die Fahrertür dar. Ein neuartiges Schwenk-Schiebetür-Konzept gewährleistet eine Best-in-Class-Türöffnung selbst in engen Parklücken, ohne dabei im geöffneten Zustand über das sehr kurze Fahrzeug hinauszuragen.
Designentstehung: Vor der eigentlichen Designentwicklung wird in einer interdisziplinären Entwicklungsgruppe eine Design-DNA des PPV 1.0 definiert. Hierfür werden zunächst sehr unterschiedliche urbane Assoziationswelten geschaffen und auf deren Grundlage circa 250 Designentwürfe entwickelt.
Die Entwürfe, die im nächsten Schritt auf zwei grundsätzlich unterschiedliche Konzepte des bevorzugten Assoziationsraums verdichtet werden, führen anschließend zur finalen Konzeptentscheidung. Ab dieser Stufe folgt die Designentwicklung in einem typischen digitalen CAS-Prozess (Computer-aided-Styling), ehe die anvisierte Design-DNA im finalen Design umgesetzt werden kann. Zusammengefasst lässt sich der PPV als der kleinste Selbstfahrerbus der Welt bezeichnen.
Das Interieurkonzept unterscheidet sich in der Designsprache deutlich vom Exterieur und nimmt sehr stark die reduzierte Kommunikations-DNA aus dem Busbau und der IT-Welt auf. Die Anzahl der Bedienelemente hat man beim PPV 1.0 auf ein absolutes Minimum reduziert und die intuitive Bedienung in den Vordergrund gestellt. Der Fahrerplatz zeichnet sich durch eine moderne, digitale Benutzeroberfläche aus, das Klimatisierungskonzept orientiert sich eher an der Denkweise urbaner Räume und nicht am klassischen Fahrzeugbau. Ein auf die Kosten einer jeden Fahrt optimiertes Reinigungskonzept des Innenraums, sinnvolle Variabilitäten durch die Zweier-Sitzbank, Weglassen verdreckender Fugen, Oberflächen aus dem Bootsbau, ein Sprühboden aus dem Schienenfahrzeugbau sowie der konsequente Wegfall „überflüssiger“ Ablageflächen charakterisieren den Innenraum als echten Carsharing-Nutzraum.
>> DAS KONZEPT HINTER DEM PPV IST, EIN REALISTISCHES FAHRZEUG ZU ENTWICKELN, DAS EINE ZEITNAHE ANTWORT AUF SHARED-MOBILITY-ANFORDERUNGEN DARSTELLT
Der Antrieb: Das Antriebskonzept des PPV 1.0 setzt im Wesentlichen auf die 400-V-Technik, die einerseits sehr gut entwickelt und für ein elektrisch betriebenes, urbanes Stadtfahrzeug absolut geeignet ist. Die technischen Daten sind mit 45 kW Antriebsleistung in der Front, einer maximalen Geschwindigkeit von 120 km/h und einem Batteriepack von knapp 20 kW/h absolut konkurrenzfähig. Die Reichweite liegt – selbst unter extremen Bedingungen – bei 80 km und ist auf einen speziell entwickelten Carsharing-Zyklus verifiziert. Gemäß dem share2drive-Geschäftsmodell werden damit die täglich geforderten circa zwei Stunden Betrieb zuverlässig erreicht. Zudem ist die Sicherstellung der kabellosen Ladevorgänge im sogenannten Flex – Share von share2drive gewährleistet. Die Konzeptentscheidung einer Tandem-Elektromotor-Anordnung mit zwei, im Durchmesser kleinen elektrischen Maschinen im Vorderwagen, beruht auf den Vorteilen in der Crashauslegung sowie dem Anspruch, ein agiles Stadtfahrzeug zu liefern.

Sicherheitsanspruch: Neben einer Vielzahl an Maßnahmen zur Unfallvermeidung zeichnet sich das PPV 1.0 durch eine hohe Crashsicherheit aus (Abbildung 3).
Die besondere Herausforderung liegt bei der Konzeptentwicklung vor allem in der Auslegung der Frontalcrash-Anforderungen. Der sehr kurze Vorderwagen zwingt die Entwicklung in eine radikale Strukturauslegung mit vier Lastpfadebenen und sehr kontrolliertem Deformationsverhalten. Bei einer Gesamtverformung von circa 350 mm wird ein mittlerer Crashimpuls von 31 g bei circa 60 mm Spritzwandeindringung erreicht. Beim Seitenaufprall werden die Deformationen von der zentral angeordneten Batteriestruktur ferngehalten. Für den Dacheindrücktest gemäß der FMVSS (Federal Motor Vehicle Safety Standards) 216 wird die Crashfestigkeit mit knapp 60 kN erfüllt.
>> DIE HOHE RESONANZ AUF DAS PPV 1.0, DAS EINE ANTWORT AUF ZUKÜNFTIGE MOBILITÄTSBEDÜRFNISSE IN EINER SHARED ECONOMY BIS 2020 DARSTELLT, HAT BEREITS DAS PPV 2.0 „SVEN“ INS LEBEN GERUFEN
Produktionsvorteile: Beim Rohbau handelt es sich um den sogenannten FlexBody, einen Karosseriebaukasten, der den Bau von profillastigen Leichtbaukarosserien in Mischbauweise für Fahrzeugprojekte mit weniger als 10.000 Fahrzeugen pro Jahr ermöglicht. Durch einen standardisierten Prozess sowie die stringente Aufteilung der Profile und Knoten können mit dem FlexBody Karosseriestrukturen in sehr kurzer Zeit entwickelt und für die Produktion vorbereitet werden (Abbildung 4).

Der größte Vorteil liegt in den sehr geringen Investitionen. Beim FlexBody des PPV 1.0 werden in der Bodengruppe vorrangig Bauweisen mit stahlintensiven, hoch- und höchstfesten Werkstoffen eingesetzt. Im Vorderwagen und im Aufbau dominieren vorrangig Aluminiumlösungen. Ein sogenannter Ladder-integrated Frame nimmt die zentral angeordnete Batterie schützend auf. Die statische Torsionssteifigkeit der 140 kg schweren Karosserie ist mit einer Leichtbaugüte von circa drei auf hohem Niveau. Die Fertigung des Rohbaus erfolgt in sogenannten „Innofix Single-shot Fixtures“ und ist auf den Einsatz eines neuentwickelten Injektionsklebverfahrens ausgelegt. Die Fertigung der jährlich 7.000 geplanten PPVs erfolgt im Zweischichtbetrieb.
Das PPV als Lösung für die Mobilität von morgen
Die Marktentwicklung zu neuen Mobilitätslösungen bietet ein interessantes Potenzial für Konzepte, bei denen Mobilitätsbedürfnisse, neue Geschäftsmodelle und der Fahrzeugbau zusammenwachsen. Die hohe Resonanz auf das PPV 1.0, das als spezielle Fahrzeuglösung eine Antwort auf zukünftige Mobilitätsbedürfnisse in einer Shared Economy bis 2020 bietet, hat bereits das PPV 2.0 „SVEN“ ins Leben gerufen.
Im klassischen Fahrzeugbau punktet die rasant fortschreitende Entwicklung des autonomen Fahrens mit den Kundenvorteilen Komfort und Sicherheit. In einer Shared-Mobility-Welt hingegen verstehen sich autonome Fahrfunktionen weit darüber hinaus. Sie ermöglichen im städtischen Raum die Mobilität der Bevölkerung und ihre logistische Umsetzbarkeit.
LITERATURHINWEISE
[1] Kaas, H.W.; et al.: Automotive Revolution – Perspective Towards 2030. How the Convergence of Disruptive Technology Driven Trends Could Transform the Auto Industry. McKinsey & Company, 2017
[2] McKinsey & Company: Carsharing & Co.: 2030 über zwei Billionen Dollar Umsatzpotenzial. Pressemitteilung vom 09.03.2017
[3] Anthrakidis, A.; Jahn, R.; Ritz, T.; et al.: Urbanes eCarSharing in einer vernetzten Welt. Steinbeis Edition, 2013


Innovation und unter Strom
Standort München
Standort München
Die EVA Fahrzeugtechnik GmbH wurde 1994 gegründet und gehört seit 2017 der FEV Group an. Mit den wachsenden Aufgaben an die Entwicklung des kompletten elektrischen Antriebsstrangs, insbesondere an die Hochvolt-Speichermedien, erweitert EVA als Spezialist für Hochvoltspeicher und E-Mobility vor allem die Kompetenzen von FEV im Unternehmenssegment Electronics & Electrification.
Bei der Entwicklung leistungsstarker Hochvoltspeicher, welche die hohen Anforderungen an Energieinhalt, Reichweite, Widerstandsfähigkeit, Temperaturbeständigkeit, Gewicht und Kosten erfüllen müssen, konnte EVA ihre große Kompetenz in diesem Bereich bereits beim Bau mehrerer Prototypen im stationären Bereich unter Beweis stellen.
Neben der Energiespeicherung hat sich EVA bei Kunden aus dem Automobil- und Energiesektor aber auch einen Namen durch innovative Dienstleistungen und Produkte im gesamten Elektrifizierungsprozess gemacht, die sich von den ersten Konzepten über Systeme, Komponenten, der Integration und Absicherung bis hin zur Ladeinfrastruktur erstrecken. Dafür nutzt EVA neben den Ressourcen von FEV auch ein eigenes Prüflabor, einen Musterbau und Technische Dokumentation.
Für FEV und EVA sind an drei Münchner Standorten mittlerweile über 400 Experten tätig.


Schnelle Bereitstellung von Softwarefunktionen
Systementwicklung
Systementwicklung
Moderne Fahrzeuge sind komplexe Systeme, die von sich weiterentwickelnden Softwarefunktionen und vernetzten Architekturen bestimmt werden. Kürzere Entwicklungszyklen und steigender Kostendruck machen neue Ansätze für die Bereitstellung sicherer und erschwinglicher Mobilitätslösungen erforderlich. In diesem Artikel wird das Thema durch die Verschmelzung bekannter Techniken der Informatik mit hochmodernen Methoden der Maschinen- und Elektrotechnik angegangen: Die Systementwicklung erfolgt konsequent in vier Schichten, während gleichzeitig agile Effizienz beibehalten wird. Modellbasierte Anforderungen ersetzen schriftlichen Text. Dieser Ansatz ermöglicht zusätzlich zur Kostensenkung durch pflegbare und wiederverwendbare Dokumentation die teilautomatisierte Ableitung von Testfällen und reduziert so den Prüfaufwand. Die Effizienz- und Qualitätsziele für die Entwicklung von BMWs elektrifizierten Antriebsstrang der nächsten Generation können erreicht werden. So können die Ziele in den Bereichen Kosten, Qualität und Anpassbarkeit gleichzeitig erfüllt werden.
Evolution der System- und Software-Geschäftsmodelle
Der Entwicklung von Automobilsystemen stehen auf der einen Seite widersprüchliche Anforderungen und auf der anderen Seite Marktbedingungen gegenüber. Kunden fordern eine schnellere Reaktion der Produktentwicklung auf neue technische Trends. Dies führt zu kürzeren Markteinführungszeiten, die von durchschnittlich fünf Jahren in den 1980er Jahren auf drei Jahre im 21. Jahrhundert gefallen sind [1]. Werden Aufwertungen und Modellpflege in die Betrachtung miteinbezogen, fällt diese Zahl sogar auf ein Niveau von ein bis zwei Jahren. Kunden wollen mit jedem Systemupgrade mehr Funktionen zu einem vergleichbaren Preis sehen. Wird die Inflation berücksichtigt, macht dies eine Kostensenkung von vier Prozent pro Jahr erforderlich, was verfügbare Entwicklungsbudgets auf beständig niedrigere Niveaus drückt [2].
Eine Fokussierung auf Kosteneffizienz kann aber den zu schließenden Kompromiss nicht umgehen: Individuelle mechanisch angetriebene Fahrzeuge werden durch integrierte Mobilitätssysteme abgelöst, die den elektrifizierten Antriebsstrang, fahrzeugweite Funktionen, Benutzererfahrungen und vielfältige Verkehrsszenarien umfassen. Die Integration wird mittels komplexer Softwaresysteme umgesetzt. Werden diese Systeme mit den gleichen Methoden und Prozessen wie in den letzten Jahrzehnten entwickelt, steigt der Verifizierungs- und Validierungsaufwand sprunghaft an. So führt beispielsweise die Migration von einer modernen adaptiven Geschwindigkeitsregelungsfunktion zu einem Autopiloten zu einer Steigerung des Validierungsaufwands um einen Faktor von 100.000 [3]. Prüfaufwand und Prototypfahrzeuge und damit auch Validierungskosten sprengen die erwähnten Budgetgrenzen. Infolgedessen wird die Qualitätssicherung risikobasiert durchgeführt.
Dadurch haben eingegangene Risiken zu einem sprunghaften Anstieg der Software-Rückrufe in den letzten zehn Jahren geführt [4]. Um die richtigen Gegenmaßnahmen ergreifen zu können, müssen die Schwachstellen in der aktuellen Systementwicklung analysiert werden (Abbildung 1). Zu Beginn der Entwicklung neuer Funktionen gestaltet sich die vollständige Top-down-Definition der Systemanforderungen und -architektur schwierig – in der Regel werden sie während Prototypsitzungen mit einem Bottom-up-Ansatz zur Identifizierung eines gewünschten Verhaltens ausgearbeitet. Es fehlen jedoch Beschreibungsmethoden, um alle im System aufzunehmenden Aspekte für alle späteren Phasen zweifelsfrei zu dokumentieren. Folglich wird die gesamte Systemarchitektur unvollständig beschrieben und ist somit nicht haltbar. Eine unvollständige oder sogar fehlende Systemarchitektur führt natürlich zu schwachen Anforderungen auf Systemebene. Es müssen Bottom-up-Anforderungen auf Funktionsebene ohne Berücksichtigung konsistenter Systemschnittstellen definiert werden. Das zieht mehrere Abstimmungsschleifen für die Anforderungen sowie eine frühzeitige Verzögerung von Projektmeilensteinen nach sich. Dadurch werden Einheitstests auf Softwareebene ohne konsistente System- und Funktionsanforderungen festgelegt, was zu zusätzlichen, durch Objektcode-Diskrepanzen verursachten Integrationsschleifen führt. Die Testfälle sind auf Komponentenebene nicht vollständig, was ähnliche Integrationsprobleme auf Fahrzeugebene verursacht. Diese werden durch die Verwendung großer Fahrzeugflotten mit intensiver Personalbeteiligung gemindert: Die Fehlererkennungszeit steigt durch nur auf Systemebene stattfindende Fehlererkennung an; Kostenbegrenzungen machen eine Priorisierung von Testmanövern erforderlich.
Modellbasierte Systementwicklung auf Grundlage der Softwareentwicklung
Eine Hauptstrategie zur Behebung der erwähnten Konflikte zwischen Markteinführungszeit, Kostensenkungen, auftretenden Qualitätsproblemen und der gestiegenen Validierungszeit auf Fahrzeugebene ist das Frontloading. Das heißt, dass die Anstrengungen in frühen Entwicklungsschritten wie Anforderungsentwicklung, Funktions- und Architekturdesign gesteigert werden müssen [5]. Frontloading ist genau genommen keine neue Idee und soll die Aufwandsreduzierung für die kostenaufwändigen Verifizierungs- und Validierungsaufgaben auf HiL(Hardware in the Loop)- oder Fahrzeugebene unterstützen. Zahlreiche Normen wie ISO/IATF 16949 und ISO 26262 empfehlen das Frontloading. Es kann allerdings nicht einfach angewendet werden, da es einen interdisziplinären Ansatz verlangt, bei dem Methoden von bekannten Techniken aus der Maschinen- und Elektrotechnik sowie Ansätze aus der Informatik kombiniert werden. Die modellbasierte Systementwicklung konzentriert sich auf eine sich beständig weiterentwickelnde, auf Modellen basierende Architektur- und Anforderungsentwicklung [6, 7, 8, 9]. Auch wenn eine systematische und semiformelle Darstellung von Anforderungen in einem ersten Schritt aufwändiger ist, zeigt die Erfahrung aus großen Softwareprojekten eine gesteigerte Produktqualität. Die bessere Qualität der aus Frontloading-Aktivitäten resultierenden Dokumente reduziert die Folgekosten für Validierungen erheblich. Qualitativ hochwertige Modelle senken den Kommunikationsaufwand, die Inkonsistenzen zwischen Anforderungen und die Anzahl an Defekten und Fehlern, die sonst erst in späteren Verifizierungsstufen entdeckt werden würden. Im Zusammenhang mit großen Teams, interdisziplinärem Austausch und Kooperationen mit externen Partnern und internen Abteilungen (alles im Automobilbereich übliche Aspekte) ist eine einfachere Kommunikation besonders wichtig. Die „System Modeling Language“ (SysML, System-Modellierungssprache) ist aus der in den 1990er Jahren eingeführten Unified Modeling Language (UML, vereinheitlichte Modellierungssprache) [10, 11] abgeleitet. Sie stellt eine große Zahl von Struktur- und Verhaltensdiagramm-Sprachen zur Spezifizierung von Systemen aus unterschiedlichen Perspektiven auf unterschiedlichen Abstraktionsniveaus bereit, jedoch keinen konkreten Prozess oder detaillierte Richtlinien dafür, welche Diagrammarten in welcher Reihenfolge oder für welche Abstraktionsniveaus verwendet werden sollten. BMW hat einen EAST-ADL [12] ähnlichen modellbasierten Systementwicklungsansatz namens SMArDT („Specification Method for Architecture, Design and Test“, Spezifikationsmethode für Architektur, Entwicklung und Tests) mit vier Ebenen vorgeschlagen: Anforderungs-, Funktionsdesign-, Architektur- und Hardware- bzw. Softwaredesign-Ebene (EAST-ADL: Fahrzeug-, Analyse-, Design- und Implementierungsebene), siehe Abbildung 2.
SMArDT kombiniert einen systematischen vertikalen Verfeinerungsansatz von Schicht zu Schicht mit einer horizontalen hierarchischen Zusammensetzung von dem gesamten Motor hin zu spezifischen Modulen. Zusätzliche Anforderungen werden von Schicht zu Schicht identifiziert und – wo angemessen – von Anforderungen höherer Ebenen abgeleitet, um eine vollständige Nachverfolgung (wie von Normen wie CMMI oder ISO 26262 gefordert) zu etablieren [13, 14]. Eine erste Trennung zwischen Hardware- und Software-Aspekten wird auf der technischen Ebene durchgeführt, diese werden dann auf der vierten Ebene implementiert.
SMArDT unterstützt aufgrund der vier Abstraktionsschichten eine systematische, schrittweise, modellbasierte Anforderungs- und Funktionsspezifikation [15, 16]. Folglich werden die bereitgestellten Anforderungen und Konzepte auf allen Ebenen neu beurteilt und beschrieben, was – im Hinblick auf das Frontloading – eine äußerst frühzeitige Verifizierung und Validierung der laufenden Aktivitäten gewährleistet. Natürlich sind diese Schritte relativ zeitaufwändig, bieten jedoch auch qualitativ hochwertige Artefakte, die zur erheblichen Beschleunigung des gesamten Entwicklungsprozesses verwendet werden können. Die erwähnten Abstraktionsschichten werden für die strukturierte Dokumentation angewendet, wobei der angewandte Prozess agil sein soll [17].
Im Zusammenhang dieses Artikels betrachten wir eine der verschiedenen neuen Möglichkeiten, die durch eine qualitativ hochwertige Reihe semiformeller Modelle bereitgestellt werden: die halbautomatische Erstellung von Testfällen [18, 19].
Halbautomatische Erstellung von Testfällen
Die durch Aktivitäts-, Zustands- und interne Blockdiagramme in der zweiten Schicht umgesetzten Funktionsmodelle stellen bereits ausreichend Informationen zur automatischen Erstellung von Testfällen für Verifizierungszwecke bereit.
Abbildung 3 illustriert einen entsprechenden Prozess. Aktivitäts- und Statusdiagramme werden während der Funktionsspezifikation auf Basis von in der ersten Schicht definierten Kundenmodellen wie Anwendungsfällen und Kontextdiagrammen definiert.
Diese Funktionsmodelle werden von Spezifizierer und Prüfer gemeinsam definiert, damit auch Funktionsaspekte wie die richtige Fehlerbehandlung enthalten sind. Ausgehend von diesen Modellen aus der Funktionsschicht können Testfälle automatisch zur Erfüllung der Pfadüberdeckungskriterien C2c erstellt werden [20]. Zusätzlich kann der Prüfer bestimmte Aspekte des Modells, wie spezifische Eingabeparameter oder Entscheidungen, konfigurieren, um die Testfallerstellung für kontextbezogene Bedürfnisse anzupassen.
In Abbildung 4 werden Beispiele für Aktivitätsdiagramme, die zur Erstellung von Testfällen verwendet werden, gezeigt.
Unterschiedliche Aktivitäten oder Entscheidungsknoten können zur Anpassung der Testfallerstellung für bestimmte Bedürfnisse (zum Beispiel Ausführzeit/Kosten für Testschritt, Anforderungen, Entscheidungsüberdeckung) klassifiziert werden. Da das Aktivitäts- und interne Blockdiagramm der Funktionsschicht Verfeinerungen des Anwendungsfalls und der Kontextdiagramme der Kundenwert-Schicht (siehe Abbildung 2) sind und das Aktivitätsdiagramm auf der mit dem Blockdiagramm beschriebenen Funktionsarchitektur basiert, repräsentieren die erstellten Testfälle alle in beiden Schichten definierten Aspekte. Zur Erstellung von Testfällen aus Aktivitäts- oder Zustandsdiagrammen ist neben der richtigen Verwendung der SysML-Sprache die eindeutige Definition erwarteter Ergebnisse auf abstrakter Ebene erforderlich. Während das bei Zustandsdiagrammen üblich ist, wurden die Aktivitätsdiagrammformulierungen zur Erfüllung dieser Bedürfnisse angepasst. Außer diesen technischen Anforderungen sind qualitativ hochwertige, semiformelle Modelle, die eine abstrakte aber klare Funktionsbeschreibung darstellen, zur Erstellung von Testfällen erforderlich, die zur Verifizierung eines Systems anhand von definierten Anforderungen verwendet werden können. Diese Modelle werden durch die von SMArDT zur Verfügung gestellten Prozesse und Richtlinien bereitgestellt. Während der Systemanforderungs- und Funktionsspezifikationsphase werden Kennzeichnungen aus einer Schlüsselwort-Datenbank zur Definition von Schnittstellen und Bedingungen wiederverwendet. Diese Schlüsselwörter werden konkreten, plattformspezifischen Signalen und deren spezifischer Testausführung zugeordnet. Während der Implementierung im Datenlexikon wird für jedes Schlüsselwort (und die zugehörigen Signale) eine konkrete Testsequenz zur automatischen Durchführung der Initialisierung und Beurteilung implementiert.
Wird die Zuordnung zwischen Schlüsselwort- und Signaldatenbank (und ihre Testimplementierung) mit der halbautomatischen Erstellung von Testfällen kombiniert, wird der Aufwand für die Definition, Einrichtung und Ausführung von Verifizierungstests erheblich reduziert.
Darüber hinaus können die erstellten Testfälle aufgrund der Neutralität der Kunden- und Funktionsmodelle für verschiedene Plattformen wiederverwendet werden.
Anwendung: Projekt „MTSF“
SMArDT und der Ansatz für die halbautomatische Erstellung von Testfällen werden derzeit in einem laufenden Serienentwicklungsprojekt zur Definition von BMWs neuer Generation elektrischer Antriebe verwendet. In Zusammenarbeit mit der FEV Europe GmbH und dem Lehrstuhl für Informatik der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen wurden zusätzliche Modellierungsrichtlinien für Funktionsmodelle ermittelt, um eine halbautomatische Erstellung von Testfällen zu ermöglichen, was als „Model-based Testing of Software-based Functions“ (MTSF, modellbasiertes Testen softwarebasierter Funktionen) bezeichnet wird.
Der Aufwand wurde zur Beurteilung, ob die vorgeschlagenen Erwartungen erfüllt werden, im Verlauf der Entwicklung systematisch überwacht. In Abbildung 4 ist eine erste Beurteilung verschiedenen Funktionen dargestellt, die den zusätzlichen Aufwand zur Ableitung von Testfällen auf Funktionsspezifikationsebene für den Spezifizierer und Tester herausstellt. Entsprechend der Komplexität der Funktion nehmen sowohl der Aufwand als auch die Zahl der erstellten Testfälle zu.
Bei Funktion A handelt es sich um die erste gemessene Funktion, einschließlich Diagnose- und Sicherheitsaspekten, die die zusätzlichen Vorteile in diesen Bereichen hervorhebt. Da eine pfadbasierte Testfallerstellung logische Verzweigungen zur Steigerung der Testfallanzahl benötigt, erhöhen Mechanismen zur Fehlererkennung und -behandlung das Potenzial für eine automatische Testfallerstellung erheblich.
Im Hinblick auf den gemessenen Aufwand muss berücksichtigt werden, dass die zusätzlichen Richtlinien für die Testfallerstellung zum ersten Mal in einem ernsthaften Entwicklungskontext angewendet wurden. Daher dürfte mit einem Rückgang des Aufwands gerechnet werden, sobald der Ansatz etabliert ist. Dank der semiformellen Natur der eingeführten Richtlinien kann daher nicht nur der Aufwand reduziert, sondern auch die Modellqualität gesteigert werden. Wird der gemessene Aufwand mit der laufenden, traditionellen Entwicklung verglichen, können die Erwartungen bereits als erreicht betrachtet werden, da der reduzierte Aufwand für Anforderungsauslegung und Verifizierungsaufgaben den zusätzlichen Aufwand auf Funktionsspezifikationsebene bereits ausgleicht; siehe Abbildung 5.
Ausgehend von den aktuellen Erfahrungen wurden bereits weitere Verbesserungen bei der Testerstellungskonfiguration zur weiteren Steigerung der Qualität der resultierenden Testfälle ermittelt. Der Gesamtprozess wird durch eine integrierte Toolchain. Zur Aufrechterhaltung der fortgesetzten Industrialisierung wird eine reibungslose Verbindung zwischen den Tools DOORS, PTC, ECU Test und HPQC eingerichtet.
Zusammenfassung und Ausblick
Der MTSF-Ansatz für die Systementwicklung geht die gegenwärtige Konfliktlage zwischen der Definition von soliden Anforderungen, Testfällen und Architektur für komplexe Systeme und dem Kosten- und Zeitdruck aufgrund von Mobilitätsmarktbedingungen an. Die Methode basiert auf einer modellbasierten Beschreibung von Systemfunktionen mittels klar definierter Abstraktionsebenen. Eine semiformelle Beschreibung macht eine effiziente Anforderungsabstimmung und halbautomatische Erstellung von Testfällen möglich.
Das Design auf den höheren Abstraktionsebenen war in diesem Artikel auf den Austausch von Anwendungserfahrungen für die nächste Generation von BMWs elektrifizierten Antriebssträngen ausgerichtet. Zum ersten Mal wurde eine modellbasierte Spezifikation für eine Entwicklung von automobilen Serienprodukten auf Systemebene angewendet. Mehr als 50 Funktionen spiegeln – getrieben durch eine systematische Definition der Funktionsarchitektur – das konzipierte Verhalten in den Bereichen Energiemanagement, Laden und Bereitstellung von Drehmoment wider. Testfälle wurden halbautomatisch unter Berücksichtigung von Überdeckungskriterien, Testkosten und Ausführungszeit für definierte Modellpfade abgeleitet. Am Ende des Workflows wurden automatisch ausführbare Testsequenzen erstellt.
Der Gesamtentwicklungsaufwand konnte bei gleichzeitiger Einhaltung von vorgegebenen Markt- und Produktmeilensteinen reduziert werden. Noch wichtiger ist, dass die Systemqualität gesteigert wurde: Es werden mehr Testfälle definiert, die Testüberdeckung kann frühzeitig bestimmt und Fehler können in früheren Designphasen identifiziert werden. Zudem können Anforderungen, Testfälle und Entwicklungsartefakte einfach abgestimmt und zweifelsfrei nachverfolgt werden.
Als nächstes steht die Fortführung der Systementwicklung auf niedrigeren Abstraktionsebenen an. Es werden sich Qualitätsgewinne zeigen – wenn die Fahrzeugtestebene erreicht wird, dürfte eine erhebliche Reduktion der Prototypen und Fehlerbehebungsphasen eintreten. Die MTSF-Methode wird auf Anwendungsebene neben dem Antriebsstrang auf andere Bereiche der Fahrzeugentwicklung ausgeweitet. Zudem wird eine Fehlerbaumanalyse für beispielsweise Sicherheitsanwendungen ermöglicht. Die nächsten Schritte der Methodenentwicklung konzentrieren sich auf die Industrialisierung für große, dezentralisierte und unternehmensübergreifende Entwicklungsteams. Insbesondere in dieser Hinsicht kann davon ausgegangen werden, dass weiter an der Überbrückung etablierter Entwicklungskulturen der Bereiche Informatik und Ingenieurwissenschaft gearbeitet wird.
Referenzen
[1] Prasad, B., Analysis of pricing strategies for new product introduction
Pricing Strategy and Practice,
Vol. 5 Issue: 4, pp.132-141
Bingley (UK), 1997
[2] Mohr, D. et al., The road to 2020 and beyond: What’s driving the global automotive industry? Mc Kinsey & Company, Inc., Stuttgart, 2013
[3] Hübner, H.-P., Automatisiertes Fahren – Wohin geht die Fahrt?
Proc. 18. Kongress Fortschritte in der Automobilelektronik
Ludwigsburg, 2014
[4] Steinkamp, N., 2016 Automotive Warranty & Recall Report: Industry Insights for the Road Ahead, Chicago, 2015
[5] Kriebel, Stefan, Economic High Quality Software for Automotive Systems, 3d Congress on Real Time, INCHRON; Braunschweig 2011
[6] Wymore, A. Wayne, Model-Based Systems Engineering CRC Press, Inc. USA, 1993
[7] Estefan, Jeff A.; Survey of Model-Based Systems Engineering (MBSE) Methodologies, Incose MBSE Focus Group 2007
[8] Grönniger, Hans et al., View-Centric Modeling of Automotive Logical Architectures, In: Tagungsband des Dagstuhl-Workshop MBEES: Modellbasierte Entwicklung eingebetteter Systeme IV. Informatik-Bericht 2008-02, CFG-Fakultät, TU Braunschweig, 2008
[9] Kriebel, Stefan, Timing propagation in the development of software-based automotive systems 4th Symtavision NewsConference on Timing Analysis, Braunschweig, 2010
[10] Weilkiens, Tim, Systems Engineering with SysML/UML: Modeling, Analysis, Design Morgan Kaufmann, USA, 2008
[11] Rumpe, Bernhard, Agile Modeling with UML: Code Generation, Testing, Refactoring, Springer International
Germany, 2017
[12] Cuenot, D. et al., Managing Complexity of Automotive Electronics Using the EAST-ADL, 12th IEEE International Conference on Engineering Complex Computer Systems 2007
[13] Paulk, Mark, Capability Maturity Model for Software, John Wiley & Sons, 2002
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[17] Linz, Tilo, Testen in Scrum-Projekten Leitfaden für Softwarequalität in der agilen Welt dpunkt.verlag, 2. Auflage 2016
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[19] Philipps, Jan et al., Model-Based Test Case Generation for Smart Cards., Electronic Notes in Theoretic Computer Science 80: 170-184, 2003
[20] Liggesmeyer, Peter, Software-Qualität: Testen, Analysieren und Verifizieren von Software Spektrum Verlag 2009
Dieser Beitrag ist ein Auszug aus der Veröffentlichung: „1. Kriebel, S., Richenhagen, J., et al.: High Quality Electric Powertrains by model-based systems engineering.
Erschienen in: Proc. 26th Aachen Colloquium Automobile and Engine Technology (2017), Vol. 1, pp. 211-222, ISBN 978-3-00-054182-7 „


Maßgeschneiderter Fusi-Prozess für Prototyp-Fahrzeuge
Funktionale Sicherheit
Funktionale Sicherheit
Für die Funktionale Sicherheit (FuSi) von in Serie produzierten Straßenfahrzeugen definiert die Norm ISO26262 einen umfangreichen Entwicklungsprozess vom Konzept bis zur Produktion. Für Prototyp- und Demonstratorfahrzeuge gibt es dagegen keine normativen Vorgaben, und die Anwendung der ISO26262 wäre viel zu aufwändig für den Umfang einer Prototypentwicklung. Trotzdem ist die Berücksichtigung der Funktionalen Sicherheit auch bei Prototypen notwendig, um den Fahrer, die Mitfahrer und die Personen in der Nähe des Fahrzeugs vor Schäden zu schützen, die durch eine Fehlfunktion verursacht werden könnten. Die Dokumentation der FuSi-Aktivitäten ist essentiell, da nur auf diese Weise belegt werden kann, dass Funktionale Sicherheit berücksichtigt wurde und Sicherheitsmechanismen implementiert wurden.
Daher wurde bei FEV ein maßgeschneiderter FuSi-Prozess für Prototypen entwickelt, der auf den wesentlichen Schritten der in der ISO26262 beschriebenen Konzeptphase basiert, dies jedoch in vereinfachter Form. Die Schritte bestehen aus der vorläufigen Systemdefinition, einer vereinfachten Gefahren- und Risikoanalyse (GuR), sowie der Definition von Sicherheitsmaßnahmen, die im Prototyp-Fahrzeug umzusetzen sind. Darüber hinaus beinhaltet der Prozess eine Überarbeitungs-Schleife, um das verbleibende Risiko in Kombination mit den Sicherheitsmaßnahmen zu bewerten (Abbildung 1).

Vorläufige Systemdefinition
In diesem Artikel wird die Umwandlung eines konventionellen Antriebsstrangs in einen P2-Hybrid-Antriebsstrang als Beispiel für die Prototypanwendung betrachtet. Neben der Integration eines Hochvolt-Bordnetzes ist auch die Modifikation des Antriebsstrangs selbst ein sicherheitsrelevanter Aspekt, wie anhand einer seiner Hauptfunktionen gezeigt wird, dem elektrischen Fahrbetrieb.
Die vorläufige Systemdefinition beschreibt alle Funktionen, Betriebsarten, Schnittstellen und Betriebsbedingungen des zu betrachtenden Systems, also in unserem Beispiel des P2-Hybridsystems. Diese Informationen sind entscheidend für die Bestimmung potentieller Risiken, die durch Fehlfunktionen des Systems verursacht werden können.
Vereinfachte Gefahren- und Risikoanalyse
Die wesentlichen Schritte für die Gefahren- und Risikoanalyse (GuR) sind die Auswahl der relevanten Betriebssituationen für das Prototyp-Fahrzeug, die Funktionale Gefahrenanalyse (FGA) und die Risikobewertung der resultierenden Gefahrensituationen.
Die FGA weist jeder Funktion standardisierte Fehlfunktionen zu (kein, zu viel, zu wenig, falsche Richtung/Verteilung, ungewollt, hängengeblieben). In Kombination mit der jeweiligen Betriebssituation ergeben sich im nächsten Schritt die Gefahrensituationen. Ein Beispiel für die Funktion „Elektrisches Fahren“ des Prototyp-Fahrzeugs gliedert sich wie folgt:
- Funktion: Elektrisches Fahren
- Betriebssituation: Fahrzeug steht an Ampel oder Kreuzung
- Fehlfunktion: Ungewolltes Drehmoment
- Gefahrensituation: Ungewollte Fahrzeugbewegung, die zu einer Kollision mit einem vorbeifahrenden Fahrzeug führt.
Die Risikobewertung einer solchen Gefahrensituation basiert auf drei Kriterien, die in der ISO26262 definiert werden. Exposition (E = Exposure) steht für die Häufigkeit der Betriebssituation – nicht der Gefahrensituation. Die Schadensschwere (S = Severity) ist die Bewertung der gesundheitlichen Schäden, die jemandem zugefügt werden. Und die Kontrollierbarkeit (C = Controllability) ist ein Maß für die Fähigkeit des Fahrers, den Schaden durch sein Eingreifen zu vermeiden. Da die genaue Bestimmung dieser Parameter recht zeitaufwändig ist, wird ein vereinfachter, konservativer Bewertungskatalog für die Prototyp-Anwendung benutzt, und anstelle des in ISO26262 definierten Automotive Safety Integrity Level (ASIL) wird eine Risikostufe ermittelt (Abbildung 2).

Die initiale Bewertung für das oben genannte Beispiel lautet:
- Exposition für stehendes Fahrzeug an Ampel oder Kreuzung: E = 3
- Schadensschwere für Kollision mit vorbeifahrendem Fahrzeug: S = 3
- Kontrollierbarkeit für ungewollte Fahrzeugbewegung: C = 2
Die C-Bewertung hängt von einigen Randbedingungen ab. Im Beispiel ist das maximal an den Antriebsrädern anliegende Drehmoment, das der Elektromotor erzeugen kann, niedriger als das Bremsmoment, das der Fahrer durch Treten des Bremspedals aufbringen kann. Wenn eine solche Randbedingung nicht erfüllt wird oder nicht sichergestellt werden kann, muss eine konservativere Bewertung vorgenommen werden.
Mit E + C = 5 und S = 3 ergibt sich ein „Mittleres Risiko“, welches Sicherheitsmaßnahmen erforderlich macht, wie im folgenden Abschnitt beschrieben wird.
Herleitung von Sicherheitsmaßnahmen
Um die Risikostufe “Akzeptabel” zu erreichen, sind Sicherheitsmaßnahmen vorzusehen (Abbildung 3).

Für das vorangegangene Beispiel kann das “Mittlere Risiko” in mehreren Schritten auf ein “Akzeptables Risiko” reduziert werden. Als erstes wird ein Notaus-Schalter installiert, der das elektrische Antriebssystem ausschaltet. Der Fahrer ist in der Bedienung dieses Schalters zu schulen, zum Beispiel durch Einleitung des Fehlers auf der Teststrecke. Nur geschulte Fahrer werden autorisiert, das Fahrzeug im Stadtverkehr zu bewegen, was beispielsweise durch ein Fahrtenbuch zu dokumentieren ist. Durch diese Maßnahme wird die C-Bewertung von 2 auf 1 reduziert. Dies führt gemäß Abbildung 2 zur Risikostufe „Niedrig“, so dass weitere Maßnahmen nötig sind. Beispielsweise kann der Betrieb des Prototyp-Fahrzeugs auf Fahrzyklen eingeschränkt werden, in denen das Fahrzeug in weniger als ein Prozent der Betriebszeit an Ampeln oder Kreuzungen steht. Dadurch sinkt die E-Bewertung von 3 auf 2, und es ergibt sich die Risikostufe „Akzeptabel“.
Da das Beispiel in diesem Beitrag nur eine Situation aus vielen möglichen Szenarien beschreibt, könnten für diese Fahrzeuganwendung andere Risiken mit der Stufe „Hoch“ bewertet werden und daher weitere Sicherheitsmaßnahmen wie zum Beispiel Überwachungsfunktionen erfordern. Solche Maßnahmen könnten dann auch für die Minderung von niedriger bewerteten Risiken verwendet werden, so dass Beschränkungen der Fahrzyklen oder der Fahrzeugbedienung vermieden würden.
Für die Vervollständigung des vereinfachten FuSi-Prozesses ist es wichtig, dass die spezifizierten Sicherheitsmaßnahmen umgesetzt und getestet werden, bevor die eigentlichen Untersuchungen am Prototypfahrzeug starten. Dies kann durch Checklisten und Fahrzeugtests auf der Teststrecke sichergestellt werden.
Neben der Erfüllung technischer Ziele ist eine strikte Einhaltung eines sicherheitsbezogenen Entwicklungs- und Freigabeprozesses auch für Prototype-Anwendungen erforderlich. FEV hat dafür den beschriebenen Prototyp-Prozess entwickelt und bereits in mehreren Projekten erfolgreich angewendet.


Know-How bei ADAS - Vom Systemarchitekturentwurf bis zur Serienvalidierung
Standort Polen
Standort Polen
FEV Polen nahm seine Arbeit 2003 mit acht jungen Ingenieuren in einem kleinen Büro in Krakau auf – mit bester Lage zur inländischen Automobil- und Maschinenbauindustrie und guten Beziehungen zu den hiesigen Universitäten. Zunächst auf die Motorenentwicklung konzentriert, kam zunehmend als Forschungsschwerpunkt die Softwareentwicklung hinzu. Heute resultiert daraus eine hohe Expertise in den Bereichen Computersimulation und Softwareentwicklung, die FEV Polen bei internationalen Projekten innerhalb der FEV-Gruppe mit einbringt.
Wertvolle Erkenntnisse hat FEV Polen so auch in den Entwicklungsthemen des autonomen Fahrens und fortschrittlicher Fahrerassistenzsysteme (ADAS) erlangen können, die sich heute in einem breiten Leistungsangebot und Komplettlösungen vom Systemarchitekturentwurf bis zur Serienvalidierung widerspiegeln. Neben Ultraschall und Radar können so zum Beispiel auch Lidar- und Kamerasysteme mit Situationserkennungssoftware integriert, geprüft und validiert werden. Die Validierung erfolgt dabei im Rahmen eines Testing-Programms gemäß weltweit etablierter Standards unter Nutzung aktueller Messtechnik, darunter Fahrrobotern und Hochpräzisions-Positionierungssystemen. Auch unterschiedliche Test-Dummies und -Plattformen kommen in diesem Schritt zum Einsatz, um die Interaktion autonom fahrender Fahrzeuge mit der Umwelt zu testen und die reibungslose Funktion der ADAS-Komponenten und -Systeme sicherzustellen.
Seit der Gründung von FEV Polen ist neben dem Kundenstamm auch die Zahl der Mitarbeiter auf über 80 gewachsen. Um den Experten beste Arbeitsbedingungen zu ermöglichen, wurde im vergangenen Jahr ein Neubau in Krakau bezogen.