
Elektrokur für den Diesel: FEV Ecobrid schafft saubere Luft im Stadtverkehr
FEV Ecobrid
Die Verbesserung der Luftqualität bei gleichzeitiger Verringerung der CO2-Emissionen bedingt eine signifikante Veränderung der Antriebssysteme. Nach dem ersten Meilenstein im Jahre 2021 mit 95 g/km CO2 für neu zugelassene Fahrzeuge steht für die Jahre 2025 und 2030 eine weitere Absenkung der Zertifizierungswerte um je 15 Prozent an. Zur Erreichung dieser Ziele wird die Elektrifizierung des Antriebsstrangs als ein Schlüssel angesehen. Die Hybridisierung auf 48 V-Basis offeriert hierbei unter Vermeidung einer umfangreichen Neukonstruktion ein erhebliches Potenzial.
>> DIE GEFORDERTEN REDUKTIONEN SIND NICHT ALLEIN MIT EINER OPTIMIERUNG KONVENTIONELLER ANTRIEBSSTRÄNGE ZU ERREICHEN
Die Anstrengungen zur Verminderung der Treibhausgasemissionen resultieren in verschärften Prüfzyklen zur Ermittlung der CO2-Emissionen. Die Ausdehnung auf Realbetriebsemissionen (RDE) bedeutet eine massive Verschärfung der Anforderungen. Mit Blick auf die globalen Anstrengungen zur CO2-Minderung ist zudem nicht auszuschließen, dass zukünftig neben CO2 auch andere klimarelevante Abgaskomponenten (wie beispielsweise CH4 und N2O) einer Reglementierung unterzogen werden. Aus der Betrachtung der CO2-Norm ist abzuleiten, dass die geforderten Reduktionen nicht allein mit einer Optimierung konventioneller Antriebsstränge erreicht werden können, sondern dass eine Technologieänderung erforderlich ist. Dies bedeutet, dass neben der Einführung von elektrisch betriebenen Fahrzeugen (Battery Electric Vehicle – BEV) auch der konventionelle Antrieb elektrifiziert werden muss.
Der EU-Markt ist unter anderem durch Kompaktfahrzeuge charakterisiert, die auf einer Plattform vielfältigste Varianten anbietet. Das C-Segment deckt einerseits das klassische Zweitfahrzeug mit Kurzstreckenverkehr ab, während es an anderer Stelle als Familienfahrzeug dient. Vor diesem Hintergrund erfolgte die Potenzialanalyse teilelektrifizierter Antriebe hinsichtlich:
- Niedrigstemissionen; insbesondere im Stadtbetrieb
- CO2-Reduktion im Realbetrieb
Als Basis diente ein EU-6b Fahrzeug mit CO2-Emissionen von 100 g/km im NEFZ. Zur Modifikation im Hinblick auf die oben genannten Ziele erfolgte eine zielgerichtete Anpassung des Technikpakets:


Motoroptimierung für emissionsarmen Stadtbetrieb
Im Hinblick auf diese Zielsetzung erfolgte eine matrix-basierte Auswahl der Komponenten. Die untersuchte Antriebsstrangkonfiguration repräsentiert ein MHEV-Konzept mit einem 48 V-RSG, das heißt ein Dieselmotor mit verbesserten Funktionsmerkmalen wurde in einem P0-Layout teilelektrifiziert.
Kernelemente der Motoroptimierung bildeten das neue 2.500-bar-CR-System und ein neu spezifizierter Abgasturbolader mit variabler Turbinengeometrie (VTG). Neben einem E-Kompressor und einer gekühlten Mehrwegabgasrückführung (MW-AGR) verfügt die neue Motorversion ebenfalls über einen 48 V-RSG. Der E-Kompressor ermöglicht durch eine sofortige Drehmomentverstärkung eine Reduktion der Emissionen in hochdynamischen Zyklen und eine Verbesserung des Ansprechverhaltens. Für das Abgasnachbehandlungssystem wurden zwei Konfigurationen untersucht:
- Topologie A: Kombi-DeNOx-System mit motornahem LNT, DPF und Unterboden-SCR
- Topologie B: elektrisch beheizter Kat (E-DOC) mit motornahem SDPF und aktivem Unterboden-SCR-System (inklusive 2. Dosierung)
Vor dem Hintergrund verschärfter Luftqualitätsanforderungen lag ein Schwerpunkt in der Optimierung des Stadtbetriebs. Da das BEV als „lokal emissionsfrei“ gilt, muss für konventionelle Fahrzeuge zur Wahrung der Marktakzeptanz das Attribut „nahezu emissionsfrei“ formuliert werden, hier mit
▶ NOx: ≤ 55 mg/km
▶ PM /PN: ≤ 3 / ≤ 5 x 1011 mg/km / #/km
▶ HC: ≤ 80 mg/km
▶ CO: ≤ 500 mg/km
Hinsichtlich der CO2-Reduktion wurde für den Realbetrieb ein Zielbereich von ≤115 g/km definiert, abgeleitet aus:
CO2,ist:NEFZ:100 ▶ CO2,ist:WLTP:110 ▶ CO2,Target,WLTP:~100 ▶ CO2,Target,RDE: ≤115 g/km
Die funktionalen Ergebnisse wurden anhand von RDE-Fahrprofilen aus der umfangreichen FEV Datenbank bewertet.
FEV SimEx-Software unterstützt bei Antriebsstrang-Prüfung
Die erheblich gesteigerte Komplexität eines Diesel-Hybrid-Antriebsstrangs erfordert einen systematischen Optimierungsprozess, der dem in Abb. 2 dargestellten Ablauf folgt.
Zu Beginn werden die Parameter der Betriebsstrategie und des Antriebsstrangs gewichtet auf skalare Parameter reduziert, zum Beispiel Kat-Volumina oder Temperatur-Schwellen. Hierdurch können die Systemeigenschaften zeitgleich mit der Betriebsstrategie optimiert werden.

Aus diesen Kombinationen wird für jedes Layout ein spezifischer DoE-Ansatz erarbeitet. Hieraus resultieren ein statistisches Gesamtmodell und die Identifikation der Schlüsselparameter. Abschließend werden die Optimierungen bewertet und für Eck-Fahrzyklen validiert. Als Werkzeug dient FEV SimEx-Software, eine virtuelle Testumgebung für den Antriebsstrang unter Berücksichtigung der AGN-System-Funktionalität. Das Modell ist modular aufgebaut, so dass Layouts, Zyklen und Strategien flexibel berechnet und abschließend erneut zur Validierung verwendet werden können.
Zur Umsetzung wurde ein pMHEV-Konzept mit dualem Einflusspfad gewählt, indem der Motor gezielt mit elektrischen Komponenten ergänzt wird. Zum einen erfolgte die Integration des 48 V-BSG zur Gewährleistung der folgenden Funktionen:
- Motorunterstützung und -phlegmatisierung
- Start-/Stop-Funktionalität, insbesondere in Verbindung mit variabler Ventilaktuierung
- Rekuperation und optimiertes Batteriemanagement in Verbindung mit einem E-Kat
Ergänzend zu diesem Schritt erfolgte die Einbringung
- des E-Kompressors zur:
▶ beschleunigten Ladedruckbereitstellung für attraktives Fahrverhalten
▶ Verminderung von NOx- und PM-Spitzen - und eines E-Kat in einer AGN-Variante
Für ein Hybridkonzept ist zur Potenzialmaximierung die Betriebsstrategie von zentraler Bedeutung. Im stationären Fahrzustand wird die Drehmomentaufteilung zwischen Motor und E-Maschine basierend auf der Drehmomentanforderung am Getriebeeingang, der Motor- bzw. Getriebeeingangsdrehzahl und dem Ladezustand (SOC) der Batterie ermittelt. Bei hohen Lasten unterstützt das RSG-System, um hohe NOx-Emissionen während des Betriebs zu vermeiden. Weitere Parametersätze ermitteln die Bedingungen, für die im Falle eines niedrigeren SOC eine Lastverschiebung angefordert wird. Dieser Bereich ist durch definierte Effizienzsteigerungen und den NOx-Anstieg begrenzt. Im transienten Betrieb wird ebenfalls ein Moment vom RSG beigesteuert, um Ruß- beziehungsweise NOx-Spitzen zu vermeiden.
Für die Kaltstartphase oder bei niedriger Geschwindigkeit wird eine dedizierte Heizstrategie gewählt, die einen aggressiveren Lastschaltansatz und eine stärkere transiente Unterstützung beinhaltet. Diese Heizstrategie ist solange aktiv, bis das AGN-System ein adäquates Konvertierungsniveau erreicht hat. Die Betriebsstrategiewahl erfolgt als regel-basiertes Optimum zwischen NOx-Emissionen in Niedriglast- und CO2-Emissionen im Gesamtzyklus.
Überzeugende Leistung im Betrieb
Die Realisierung anspruchsvoller Zielwerte erfordert eine systematische Vorgehensweise bei der Spezifizierung der Systeme zur Verringerung der Abgasemissionen. Ermöglicht wurde dies durch die Anwendung einer internen Methodik mit hohem Prädiktionsanteil (FEV XiL). Der Einsatz virtualisierter Routinen ermöglicht eine effiziente Bewältigung hoher Systemkomplexitäten, während Aufwand und Zeit reduziert werden. Zu Beginn werden Anforderungen für emissionskritische Szenarien identifiziert und die Szenarien in einer multidimensionalen DoE-Kampagne bewertet. Anschließend erfolgt die auf Robustheit ausgerichtete, virtuelle Systemoptimierung. Das Systemverhalten wird abschließend in einer zweiten DoE-Kampagne umfangreich validiert.

>> BEI HOHEN LASTEN UNTERSTÜTZT DAS RSG-SYSTEM, UM HOHE NOx-EMISSIONEN WÄHREND DES BETRIEBS ZU VERMEIDEN
Abb. 3 belegt die Leistungsfähigkeit der gewählten Technologiebausteine. Für zukünftige Anforderungen zeigt die E-Kat-Variante einen Vorteil, da die variable Heizleistung einen leistungsfähigen Freiheitsgrad darstellt.
Die Fahrzeugakzeptanz wird auch durch Fahr- und Komfortattribute bestimmt. In diesem Zusammenhang kann der Verbund aus zusätzlichem Antriebsmoment über den RSG und die „Multiplikatorfunktion“ für das Motormoment durch den elektrischen Kompressor beeindruckende Werte liefern. Im Zusammenhang mit den modellbasierten Kontrollalgorithmen lassen sich hierbei auch Vorteile bei CO2-Werten und Emissionen erzielen. Eine Betrachtung für verschiedene Zyklen unter variablen Temperaturbedingungen beschreibt das CO2-Potenzial der Antriebsstrangkonfigurationen (Abb. 4).

Vorteile des FEV Ecobrid
Bereits eine 48 V-Hybridisierung bietet ein signifikantes Potenzial zur Emissionsminderung. Mehrstufige DeNOx-Systeme ermöglichen nahezu „Null-NOx“-Emissionen, sobald die Kat-Anspringtemperatur erreicht ist. Niedrigste NOx-Emissionen können mit den gewählten Kombinationen erreicht werden, aber das Fahren mit niedriger Geschwindigkeit verbleibt als größte Herausforderung. Elektrisch beheizte Katalysatoren bieten einen Freiheitsgrad mit weiterem Minderungspotenzial. Ein teilelektrifizierter Dieselmotor stellt auch zukünftig ein attraktives Antriebskonzept dar und formuliert ein überzeugendes Argument gegen innerstädtische Restriktionen für den Betrieb von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren.
