
Die Zukunft fährt elektrisch?
FEV-Studie untersucht Antriebsstrangtopologien bis 2030
Die Automobilindustrie steht unter Druck. Wir erleben starke, gar disruptive Veränderungen. Die öffentliche Wahrnehmung des Automobils ist im Wandel und verlangt nach ökologisch nachhaltigen Antrieben. In dieser Dynamik hat sich die Elektrifizierung des Antriebsstrangs klar an die Spitze der öffentlichen Diskussion gesetzt und gilt auch branchenintern als stärkstes Zugpferd. Heute jedoch sind Verkaufszahlen von elektrifizierten Fahrzeugen noch stark gehemmt durch hohe Kosten, schwache Infrastruktur und geringe Reichweiten. So waren 2016 weniger als ein Prozent aller weltweit verkauften Fahrzeuge primär elektrisch angetrieben. Vor diesem Hintergrund sind Marktprognosen sicherlich gewagt. Dennoch soll im Folgenden eine Einschätzung gegeben werden, wie sich Antriebsstrangtopologien in den weltweit wichtigsten Märkten entwickeln werden. Es wird ersichtlich, dass sich trotz der angesprochenen Unsicherheit einige zentrale Aussagen belastbar herausarbeiten lassen. Diese Marktprognose fokussiert die weltweit wichtigsten Märkte Europa, USA und China. Ihr liegt eine umfangreiche Studie der FEV Consulting GmbH zu Grunde, welche unter anderem folgende Aspekte berücksichtigt:
>> DIE MEHRHEIT ALLER IN EUROPA VERKAUFTEN FAHRZEUGE WIRD AUCH 2030 NOCH EINEN VERBRENNUNGSMOTOR BESITZEN
Antriebsstrangtopologien in Europa
Die CO2-Grenzwerte werden in den Märkten Europa, USA und China stetig reduziert. Das in Europa und China im Vergleich zu den USA absolut niedrigere Niveau zulässiger CO2-Emissionen gibt bereits einen Hinweis auf einen starken Elektrifizierungsbedarf in diesen beiden Märkten.
Bis 2020 werden konventionelle, rein verbrennungsmotorische Antriebsstränge nahezu vollständig durch Start/Stopp-Funktionalitäten ergänzt (Mikro-Hybrid). Die Entwicklung von stärker elektrifizierten Topologien wächst relativ zu den heute sehr niedrigen Verkaufszahlen rasch – bleibt aber auf einem absolut niedrigen Niveau. So wird die Summe des Marktanteils von Mild-Hybriden (48 Volt), Voll-Hybriden, Plug-In-Hybriden und batterieelektrischen Fahrzeugen nur bei knapp über zehn Prozent liegen. In den folgenden fünf Jahren wird dann ein ausgeprägtes Wachstum von Mild-Hybriden (2025: 33 Prozent Marktanteil), Plug-In-Hybriden (2025: 13 Prozent Marktanteil) und batterieelektrischen Fahrzeugen erwartet (2025: acht Prozent Marktanteil).
Der Fernblick in Richtung 2030 ist heute noch ungewiss. Vor allem die Interaktion der Entwicklung des Plug-In-Hybrid-Marktanteils und der Verkaufszahlen von batterieelektrischen Fahrzeugen ist noch nicht belastbar zu prognostizieren und primär verknüpft mit dem Entwicklungsfortschritt der Batterietechnologie (Energiedichte und Preis), dem Ausbaustand der Ladeinfrastruktur und der Entwicklung des Ölpreises. Zusätzlich hoher Einfluss wird den aktuell öffentlich diskutierten „Zero Emission Zones“ zugesprochen. Setzt sich die Einrichtung emissionsfreier, urbaner Zonen breit durch, ist zu erwarten, dass dies den Kauf von rein elektrisch angetriebenen Fahrzeugen in Städten stark fördert.
Unabhängig von dieser Unsicherheit lässt sich für 2030 sicher prognostizieren:
- Die Mehrheit aller in Europa verkauften Fahrzeuge wird auch 2030 noch einen Verbrennungsmotor besitzen (75 bis 85 Prozent)
- Ein sehr hoher Anteil dieser Verbrennungsmotoren (ca. 90 Prozent) wird in hybridisierten Antriebssträngen betrieben
Antriebsstrangtopologien in den USA
Vergleicht man die Markterwartungen für Europa mit denen der USA, ergibt sich ein abweichendes Bild, das sich wie folgt zusammenfassen lässt:
- Das Verkaufsverhalten in den USA wird länger auf hohe Reichweiten von Flüssigkraftstoffen und große Verbrennungsmotoren (6-Zylinder und 8-Zylinder) gerichtet sein
- Forderungen zur CO2-Emissionsreduktion treten hier gegenüber der Absenkung der Schadstoffemissionen tendenziell in den Hintergrund und lassen einen niedrigeren Elektrifizierungsgrad zu
- Im Gegensatz zu Europa findet die CO2-Emission der Stromerzeugung bei der Fahrzeugemissionsbewertung zunehmende Berücksichtigung (Trend zu „Well-to-Wheel“- statt „Tank-to-Wheel“-Betrachtung)
Diese Aspekte führen im Vergleich zu Europa auf dem nordamerikanischen Markt zu niedrigeren Elektrifizierungsraten. So werden Mikro-Hybrid-Antriebe erst 2025 vollständig ausgerollt sein. Zudem ist davon auszugehen, dass im Jahr 2030 noch 85 bis 95 Prozent aller verkauften Fahrzeuge mit einem Verbrennungsmotor ausgestattet sein werden. Das gezeichnete Bild erweitert sich zusätzlich bei der Analyse des chinesischen Markts.
>> IN DEN USA WERDEN MIKRO-HYBRID-ANTRIEBE ERST 2025 VOLLSTÄNDIG AUSGEROLLT SEIN
Antriebsstrangtopologien in China
Die Markterwartungen für China in Relation zu Europa lassen sich ebenfalls als Kerntrends zusammenfassen:
- Investitionen in Infrastruktur und strenge Gesetzgebung wie Fahrverbote für verbrennungsmotorisch betriebene Fahrzeuge in großen Städten fördern die Antriebsstrangelektrifizierung stark
- Bereits heute fahren sehr viele zukünftige Pkw-Käufer in China elektrische Zweiräder und passen in ihrem Verhaltensmuster bereits gut zu elektrischen Antrieben
- Gleichzeitig gibt es in China ein stark kostensensitives Marktsegment, das noch länger von rein verbrennungsmotorisch angetriebenen Pkw bestimmt sein wird
Diese Trends lassen eine ausgeprägte Koexistenz von Verbrennungsmotorantriebssträngen und batterieelektrischen Fahrzeugen in China erwarten. So werden in 2030 nur noch 50 bis maximal 75 Prozent aller verkauften Fahrzeuge einen Antriebsstrang mit Verbrennungsmotor besitzen. Gleichzeitig wird sich der Elektrifizierungsgrad in diesen Antrieben zu 90 Prozent auf Mikro- und Mild-Hybride beschränken und der Verbrennungsmotor so die dominante Antriebsmaschine darstellen.
Zusammenfassend lässt sich schlussfolgern, dass auch bei einer stark zunehmenden Elektrifizierung des Antriebsstrangs der Großteil aller Antriebe auch 2030 noch Verbrennungsmotoren besitzen wird und diese Verbrennungsmotoren in variantenreichen Antriebstopologien arbeiten müssen.
