
Auswirkungen der Elektrifizierung auf den Maschinenbau und die Zulieferindustrie
FEV Studie
Der Wandel der Antriebssysteme für Pkws von Verbrennungsmotoren zu elektrifizierten und vollständig elektrischen Antriebssträngen gewinnt an Fahrt. FEV geht davon aus, dass bis 2030 batterieelektrische Fahrzeuge auf den drei wichtigsten Automobilmärkten EU, USA und China bis zu 22 Prozent und Full- und Plug-in-Hybridfahrzeugen weitere 13 Prozent des Absatzes ausmachen werden. Dieser Wandel wirkt sich erheblich auf die automobile Lieferkette aus, da ein elektrischer Antriebsstrang ca. 60 Prozent weniger Herstellungsaufwand als ein konventioneller Antriebsstrang benötigt. Dafür ist der Herstellungsaufwand eines Antriebsstrangs für ein Plug-in-Hybridfahrzeug um ca. 25 Prozent höher. Angesichts des zukünftigen Absatzvolumens von Antriebssträngen sowie des dafür erforderlichen Herstellungsaufwands geht FEV davon aus, dass die mit dem Herstellungsprozess verbundene Wertschöpfung zwischen 2017 und 2030 jährlich um 1,7 Prozent zunehmen wird. Einige Systeme und Märkte werden sich jedoch mit einer Konsolidierung konfrontiert sehen. Unternehmen in der automobilen Lieferkette müssen ihre Marktpositionierung beurteilen und Ressourcen zur aktiven Gestaltung des Wandels und zur Teilnahme am wachsenden Geschäft mit elektrifizierten Antriebssträngen neu zuweisen.
Trends zur Elektrifizierung von PKW-Antrieben
Die drei betrachteten Marktregionen Europa, USA und China machen circa 58 Prozent des globalen Marktes für Personenkraftwagen im Jahr 2030 aus. Für Europa und die USA wird von einem konstanten Absatzvolumen ausgegangen. Für China und den Rest der Welt wird insgesamt ein jährliches Absatzmarktwachstum zwischen 1,5 Prozent und 4 Prozent angenommen. Global werden im Jahr 2030 circa 20 Millionen Einheiten elektrischer Antriebe erwartet. Dies beinhaltet fast ausschließlich batterieelektrische Antriebe. Die Marktdurchdringung von Antrieben, welche auf Brennstoffzellen basieren, wird erst für die Zeit nach 2030 in größerem Umfang prognostiziert. Dies gilt gleichermaßen für sogenannte Power-to-X Kraftstoffe, das heißt aus regenerativ erzeugter Elektrizität produzierte e-Fuels. Die Anzahl der auf einen Verbrennungsmotor basierenden Antriebe (inklusive Hybridantriebe) erreicht im Basisszenario zwischen dem Jahr 2025 und dem Jahr 2030 ein Maximum. Bis zur Erreichung des Peaks wird es voraussichtlich noch einen Anstieg um 12 Prozent auf circa 100 Millionen Einheiten geben.

In den drei Märkten Europa, USA und China
vollzieht sich der Wandel im Antrieb bereits deutlich früher als in weniger reifen Märkten. Das erwartete Marktwachstum in China wird fast vollständig durch Elektrofahrzeuge erreicht. Dies bedeutet: Die Anzahl verkaufter Verbrennungsmotoren reduziert sich in der Gesamtbetrachtung der drei wichtigen Märkte im Basisszenario im Jahr 2030 um circa 10 Prozent gegenüber dem Jahr 2016. Hybridantriebe (inklusive milder Hybridisierung mit 48 V Technologie) stellen einen Anteil von circa 56 Prozent aller Antriebstypen dar.
>> Global werden im Jahr 2030 etwa 20 Millionen elektrische Antriebe erwartet
Der Wandel wirkt sich auch auf die Komponenten in Fahrzeugen aus. So reduziert sich im Durchschnitt die Zylinderzahl in diesen drei Märkten um acht Prozent von 4,3 auf 4,0. Der Trend in Richtung aufgeladener Drei- und Vierzylinder-Motoren setzt sich fort.

Im Durchschnitt der drei Marktregionen Europa, USA und China wird im Basisszenario im Jahr 2030 ein Absatzanteil elektrischer Antriebe von 22 Prozent erwartet. Dabei ergibt sich für die Märkte ein durchaus unterschiedliches Bild. In Europa wird ein Anteil an elektrischen Fahrzeugen von 21 Prozent prognostiziert. Dies beruht insbesondere auf der Regulierung der CO2-Emissionen für Neufahrzeuge. In den USA wird ein Anteil von neun Prozent vorhergesagt. Im Vergleich zu Europa begünstigt hier die Regulierung der CO2-Emissionen für Neufahrzeuge Elektrofahrzeuge in einem geringeren Maße. Zusätzlich ist der Markt durch schwere Fahrzeuge und andere Mobilitätsmuster geprägt. In China wird, insbesondere aufgrund des politischen Drucks, ein Anteil von 29 Prozent erwartet – dies entspricht in etwa neun Millionen verkauften Elektrofahrzeugen. Dabei wird bis 2030 ein jährliches Marktwachstum von 2,4 Prozent auf insgesamt 32 Millionen Fahrzeuge zugrunde gelegt.
Wandel in den Herstellungsprozessen von Antriebssystemen
Die zur Herstellung der Antriebssysteme notwendige Wertschöpfung wird neben dem Antriebstyp auch maßgeblich von dessen Komplexität geprägt. Zur Erreichung der CO2-Emissionsziele für Neufahrzeuge wird neben der Elektrifizierung auch eine weitere Effizienzsteigerung der Verbrennungsmotoren umgesetzt. Daraus resultiert eine erhöhte Anforderung an die Fertigungstechnologie.
Im Vergleich zu einem Antrieb mit Verbrennungsmotor weist ein elektrischer Antriebsstrang einen deutlich höheren Anteil an Materialkosten auf (bezogen auf die direkten Herstellkosten). Ursache dafür sind insbesondere die Batterie und die darin verwendeten Materialien. Die Wertschöpfung der Fertigungsprozesse sinkt hingegen. Die Auswirkungen auf die Fertigungsprozesse, welche bei konventionellen Antrieben dominieren, sind sehr erheblich. So reduziert sich deren Wertschöpfung beim batterieelektrischen Antrieb im Durchschnitt um 64 Prozent gegenüber einem Mildhybridantrieb. Die einzelnen Fertigungsverfahren sind unterschiedlich stark betroffen – die Bandbreite der Reduktion reicht von circa 50 Prozent bis 80 Prozent. Im Gegensatz dazu steigt beim (Plug-in-) Hybridantrieb die Wertschöpfung um 24 Prozent, da hier neben einem Verbrennungsmotor ein elektrischer Antrieb verbaut wird.
Insgesamt wird die Wertschöpfung durch Hybridantriebe und die Steigerung der Komplexität sehr positiv beeinflusst. So kann trotz der geringeren Wertschöpfung bei der Produktion von elektrischen Antrieben davon ausgegangen werden, dass ein jährliches Wachstum der Wertschöpfung (ohne Batteriezellproduktion) von 1,7 Prozent erzielt werden kann.

Dieses Wachstum muss allerdings im Detail betrachtet werden: Es bezieht sich auf alle Antriebstechnologien zusammen. Eine Untersuchung der Wertschöpfung lediglich für Verbrennungsmotoren zeigt für den Absatzmarkt Europa einen Rückgang von jährlich -1,3 Prozent und lässt für die USA eine Stagnation erwarten.
Lediglich für China wird ein Anstieg von jährlich 1,5 Prozent prognostiziert. Bis 2030 wird eine Steigerung in der Wertschöpfung für Produktionsprozesse im Bereich der elektrischen Antriebe für hybride und rein elektrische Fahrzeuge gesehen. Die Batteriezellproduktion erschließt ein zusätzliches Wertschöpfungspotenzial von 11,1 Mrd. Euro.
Zero Emission Vehicle Index: Ein neues Monitoringsystem
Zukünftig soll die weitere Entwicklung des Wandels in den Antriebssystemen durch ein Monitoringsystem beobachtet werden. Dazu wurde im Rahmen der Studie der „Zero Emission Vehicle Index“ (ZEV-Index) entwickelt. Im ZEV-Index werden mehr als 40 Parameter untersucht. Folgende Dimensionen gehen in die Analyse ein: Regulierung, Technologieverfügbarkeit, Ladeinfrastrukturausbau, Verhalten der Industrie, wirtschaftliche Aspekte sowie Akzeptanz der Elektromobilität. Der ZEV-Index erfasst marktspezifisch für die drei Regionen Europa, USA und China die Ausprägung der Parameter im Jahr 2016 und deren erwartete Entwicklung bis 2030. Die unterschiedlichen Parameter werden normiert und so vergleichbar gemacht. Ein Wert von 100 bedeutet, dass ein Elektrofahrzeug in der Gesamtbewertung eine gleichwertige Attraktivität aufweist wie ein konventionelles Fahrzeug. Der ZEV-Index ist ein komplementäres Instrument zur Erstellung von Marktszenarien. Unbeständige Einflussfaktoren werden analysiert. Dadurch können Treiber identifiziert und Handlungsbedarfe abgeleitet werden.

Für Europa wird für das Jahr 2024 eine gleichwertige Attraktivität von Elektrofahrzeugen vorhergesagt. 2016 war der ZEV-Index noch auf einem Stand von 47 Punkten. Ausschlaggebend sind unter anderem ein breiteres Modellangebot mit praxistauglichen Reichweiten sowie der Ausbau der Ladeinfrastruktur. Das verändert die Kundenakzeptanz von Elektrofahrzeugen sehr positiv. China erreicht diese Parität bereits zwei bis drei Jahre früher als Europa. In China wirken sich insbesondere die strengen regulatorischen Rahmenbedingen sehr stark aus. Für die USA wird die gleichwertige Attraktivität erst im Jahr 2028 erwartet.
Empfohlene Maßnahmen für Maschinen- und Komponentenzulieferer
Zwischen 2016 und 2030 dürfte die mit dem Herstellungsprozess verbundene Wertschöpfung für die drei Märkte Europa, USA und China um jährlich 1,7 Prozent zunehmen. Der Rückgang der Wertschöpfung im Bereich konventioneller Antriebsstränge kann durch elektrifizierte Antriebsstränge, die Anwendung fortschrittlicher Technologie und steigende Fahrzeugverkäufe ausgeglichen werden.

Bis 2030 dürfte die Zahl der in Europa, den USA und in China verkauften Verbrennungsmotoren um zehn Prozent im Vergleich zu 2016 zurückgehen. China bleibt weiter der größte Markt für Verbrennungsmotoren.
Der Bereich Verbrennungsmotoren wird für die Maschinenindustrie sowie Komponentenzulieferer weiter ein wichtiger Geschäftsbereich bleiben. Einzelne Marktakteure sollten jedoch angesichts der konsolidierten Märkte in Europa und den USA ihre Geschäftsmodelle analysieren und entsprechend anpassen. Die Zuweisung von Entwicklungs- und Produktionsressourcen sollte zur Aufrechterhaltung der Profitabilität neu bewertet werden. Der wachsende Markt in Asien wird immer wichtiger werden, daher sollten Marktakteure die Verstärkung ihres Asiengeschäfts erwägen und dazu analysieren, ob Verkaufs- und Produktionsstrukturen erweitert werden müssen.
Auch im Bereich der konventionellen Antriebsstränge gibt es Gelegenheiten für zusätzliche Geschäfte. Bei den meisten Verbrennungsmotoren wird eine Zunahme der technologischen Komplexität infolge der Anwendung fortschrittlicher Motorentechnologie erwartet. Zur Teilnahme an der darausfolgenden Wertschöpfung müssen Marktakteure ihre führende technologische Position durch die kontinuierliche Verbesserung ihrer Kompetenzen und Fähigkeiten erreichen oder aufrechterhalten.
Das Marktvolumen elektrischer Antriebsstrangkomponenten, die in Hybrid- und reinen Elektrofahrzeugen zum Einsatz kommen, wird stark ansteigen. Infolgedessen entstehen neue Geschäftsgelegenheiten für Marktakteure in der ganzen automobilen Lieferkette. Alle Unternehmen sollten die für sie zutreffenden Gelegenheiten ermitteln, um an diesen Märkten teilnehmen zu können. Bestehende Kernkompetenzen und -fähigkeiten sollten durch den dedizierten Aufbau von zusätzlichem Know-how ausgebaut werden. Zur Entwicklung neuer Kompetenzen können nachhaltige Innovationsnetzwerke, in denen Branche und Wissenschaft zusammenkommen, beitragen.
In dieser Studie orientiert sich der zeitliche Ablauf für den Wechsel von Antriebssystemen an den erwarteten Fahrzeugverkäufen. Die Auswirkungen auf das Geschäft von Komponenten- und Maschinenzulieferern treten jedoch wesentlich früher ein, da F&E- und Herstellungsinvestitionen eine erhebliche Vorlaufzeit erforderlich machen. Der Geschäftstransformationsprozess sollte daher bereits angelaufen sein oder unverzüglich initiiert werden. Schnell und flexibel handelnde Unternehmen können ihre Führungsposition ausbauen und das Potenzial für neue Geschäfte ausnutzen. Langfristig gesehen ist die Teilnahme am Markt der elektrifizierten Antriebsstränge für den wirtschaftlichen Erfolg von Komponenten- und Maschinenzulieferer unerlässlich.
Zugrunde liegende Studie
In diesem Artikel wird ein Teil der Ergebnisse der Studie „Transformation of Powertrain ‒ the electrification and its impact on the value added of vehicle powertrains by 2030“ (Antrieb im Wandel – Die Elektrifizierung des Antriebsstrangs von Fahrzeugen und ihre Auswirkung auf die Wertschöpfung bis 2030) zusammengefasst. FEV Consulting hat die Studie gemeinsam mit den deutschen Branchenverbänden „Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA)“, „Forschungsvereinigung Antriebstechnik (FVA)“ und „Forschungsvereinigung Verbrennungskraftmaschinen (FVV)“ durchgeführt. Dabei standen drei Fahrzeugkategorien im Mittelpunkt und wurden einzeln analysiert: Pkws, Nutzfahrzeuge und nicht am Straßenverkehr teilnehmende bewegliche Arbeitsmaschinen.
Die drei wichtigsten Automobilmärkte Europa, China und die USA wurden im Detail betrachtet; die Ergebnisse lassen sich jedoch auch auf andere Märkte übertragen. Die Ergebnisse der Studie beinhalten eine Prognose des Absatzvolumens konventioneller und elektrifizierter Antriebsstränge sowie eine Analyse der für verschiedene Antriebsstrangarten erforderlichen Herstellungsprozesse. Durch die Verknüpfung dieser beiden Faktoren wurde eine Prognose für die gesamte mit dem Herstellungsprozess verbundene Wertschöpfung erzeugt.
REFERENZEN
[1] Lüdiger, T.; Wittler, M.; Nase, A VDMA study: Transformation of Powertrain – the electrification and its impact on the value added of vehicle powertrains by 2030, Frankfurt, 2018
[2] Scharf, J.; et al., Gasoline engines for hybrid powertrains – high tech or low cost? 38. Internationale Wiener Motorensymposium, Wien, 2017
[3] Glusk, P.; et al. Electrified Future Of Mobility – Is The Expected Value Chain Shift Opportunity Or Threat For OEMs And Suppliers?
