Vom Desktop bis zum Prüfstand

FEVs mehrstufiger Simulationsansatz für Hybrid- und Elektrofahrzeuge

22. Oktober 2016 | Software & Testing Solutions

Simulation ist heutzutage einer der ersten Schritte bei nahezu allen Entwicklungsaktivitäten. Auch die Automobilindustrie bildet hier keine Ausnahme. Mit steigender Rechnerleistung und der Entwicklung ausgeklügelterer und präziserer Modelle werden diese Simulationsaktivitäten für Konzept, Design, die Vorkalibrierung und Fahrzeugvalidierung sogar noch wichtiger. Abhängig von der Zielanwendung und den verfügbaren Ressourcen können die Simulationsaktivitäten auf verschiedenen Detail- und Genauigkeitsstufen durchgeführt werden. FEV stellt einen mehrstufigen Simulationsansatz bereit, der von der Vorkonzeptphase bis zur Funktionsentwicklung für elektrifizierte Fahrzeuge reicht. Die Verwendung eines sehr detaillierten Simulationsmodells in der Vorkonzept- oder Konzeptphase ist aufgrund begrenzter Zeit und einem Mangel an Eingabedaten nicht nur unpraktisch, sondern, wenn man den Zweck der Simulationsaktivität berücksichtigt, auch nicht notwendig. Andererseits werden für Hardware-in-the-Loop(HiL)- oder Model-in-the-Loop(MiL)-Anwendungen normalerweise hoch detaillierte Werksmodelle benötigt. Daraus ergeben sich zwei nachhaltige Vorteile von FEVs mehrstufigem Simulationsansatz für Hybrid- und Elektrofahrzeuge: Einerseits kann der Ansatz flexibel auf Kundenbedürfnisse und Projektrandbedingungen (z. B. Budget, Verfügbarkeit von Daten und zeitliche Beschränkungen) angepasst werden. Andererseits deckt er alle Simulationsschritte ab, von der Vorkonzeptphase bis zum Produktionsbeginn. Da jede Simulationsstufe auf der vorherigen aufbaut, können Eingabedaten und Modelle in der nächsten Stufe wiederverwendet werden, was Zeit spart und Konsistenz sicherstellt. Zudem lassen sich Simulationsergebnisse mit den Ergebnissen des vorherigen Schritts einfach verifizieren.

 Autos - Hybrid- und Elektrofahrzeuge

Tabellen - Benchmark Elektro

Stufe-0-Systemsimulation: elektrische Reichweite und Stromverbrauch

Stufe-0-Systemsimulation: Marktanalyse

Die Stufe-0-Systemsimulation ist die erste Stufe in der Systemsimulations-Toolchain. Sie basiert auf einem Open-Loop-Simulationsansatz mit Benutzerschnittstellen in Microsoft Excel® und konzentriert sich auf die wichtigsten Antriebsstrangkomponenten mit den größten Auswirkungen auf Energieverbrauch und Leistung. Beispielsweise wird zur Bewertung des Kraftstoffverbrauchs während eines Zyklus eine Motorkraftstoff-Flow-Map aufgenommen. Ein Korrekturfaktor berücksichtigt dabei das Warmlaufen des Motors und das Katalysatoraufheizen. Der Einfachheit halber wird ein vereinfachtes Getriebewirkungsgradmodell zugrunde gelegt und als unabhängig von der Temperatur oder Motordrehzahl betrachtet. „Mithilfe dieser Lean-Methode sind wir in der Lage, einen Hybrid-Antriebsstrang mit sehr wenigen Eingabedaten, in einem minimalen Zeitraum und mit akzeptabler Genauigkeit zu simulieren“, erklärt Dr. Michael Stapelbroek, Department Manager Hybrid und E-Mobility bei der FEV. „Der gute Kompromiss zwischen der Modellsimplifizierung und Simulationsgenauigkeit beim Stufe-0-Modell ermöglicht es uns jedoch, die gesamte Simulation ohne zusätzliche kommerzielle Software Tools durchzuführen – und dennoch eine rund 90-prozentige Genauigkeit in Bezug auf die Messung zu erreichen.“

Umfangreiche Bibliothek von Hybridtopologien

FEV hat eine Benchmarking-Datenbank von verschiedenen Hybridtopologien mit einer langen Liste der auf dem Markt verfügbaren Komponenten entwickelt. Ein Hauptergebnis des „Stufe-0“-Tools ist ein Vergleich zwischen dem vorgeschlagenen Konzept und anderen Hauptwettbewerbern, um die Kunden bestmöglich zu beraten. Zudem ist FEV in der Lage, eine anfängliche Sensitivitätsanalyse von einigen Entscheidungsparametern wie Batteriegröße, Leistung des Elektromotors, Motor-Downsizing usw. durchzuführen. Eine Schätzung der Zusatzkosten für die Hybridisierung ermöglicht es, den besten Kompromiss zwischen CO2-Reduzierung und Kosten zu finden – sowohl momentan als auch zukünftig.

Die Hauptmotivation für die Entwicklung eines solchen schlanken Ansatzes ist es, Kunden eine schnelle, aber gleichzeitig verlässliche Beratung für den ersten Schritt auf dem Weg zur Hybridisierung ihrer konventionellen Fahrzeuge zur Verfügung zu stellen. Die Eingabedaten werden unter Verwendung der Excel-Schnittstelle gesammelt. Ein mit dem Stufe-0-Modell verknüpfter PowerPoint-Bericht liest die Simulationsergebnisse aus dem Excel-Tool automatisch aus und präsentiert sie elegant und automatisch in dem Bericht.

Stufe-1-Systemsimulation: Fahrzeugstufe

Obwohl die Stufe-0-Simulation ein sehr nützliches Tool in der Vorkonzeptphase für die Entscheidung ist, ob die Hybridisierung eine tragfähige Option darstellt, ist sie für die Konzeptphase nicht präzise genug. Während dieser Phase werden die Komponenten wie Elektromotor und Batterie bemessen und eine geeignete Hybridstrategie ermittelt. Hierfür ist ein besseres Verständnis des Antriebsstrangverhaltens erforderlich, wofür die Stufe-1-Simulationsplattform zur Anwendung kommt.
Dieses Tool ist ein nulldimensionales Closed-Loop-Simulationsmodell in Matlab Simulink®. Alle Antriebsstrangkomponenten werden detaillierter als mit dem Stufe-0-Simulationstool modelliert. Der Getriebewirkungsgrad beispielsweise ist nun kennfeldbasiert, berücksichtigt Antriebsdrehzahl, -drehmoment und Gangzahl und umfasst ein semi-empirisches thermisches Modell. Der Stufe-1-Simulationsansatz wird häufig für die Bemessung von Antriebsstrangkomponenten, die Auswahl der Hybridtopologie, die Optimierung der Hybridstrategie und Fahrzeugleistung und die Schätzung der Kraftstoffeffizienz verwendet.

Individuell angepasste Detaillierungsgrade

Der Simulationsansatz umfasst die modulare Trennung der physischen Komponenten von ihren Steuergeräten. Hieraus resultiert ein hohes Maß an Flexibilität in der Kalibrierung der Steuergeräte ohne Veränderung der physischen Modelle. Ein weiterer Vorteil der Verwendung von Matlab Simulink® anstatt kommerzieller Software ist die Freiheit, bei Bedarf Änderungen an den Untermodellen vornehmen zu können. Da es sich bei allen Untermodellen um von FEV gebaute, interne Modelle handelt, kann der Detaillierungsgrad vollständig individuell an die Bedürfnisse der Aktivität angepasst werden. Wenn sich die Simulationsaktivität beispielsweise auf die Schätzung der erforderlichen Batteriegröße konzentriert, kann das Batterie-Untermodell detaillierter modelliert werden, während die anderen Antriebsstrang-Untermodelle, wie der Motor, unverändert bleiben.
Dieser Simulationsansatz garantiert auch eine sehr geringe Ausführungszeit und läuft ca. 1.000 Mal schneller als Echtzeit ab. So beträgt beispielsweise die Dauer der Simulation für ein Hybridfahrzeug im Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) auf einem Laptop mit Core i7 Prozessor und 8 Gigabyte Speicher ca. 1 Sekunde. Diese sehr schnelle Ausführung macht den Simulationsansatz sehr nützlich für Sensitivitätsanalysen, Komponentenbemessung und die Optimierung der Betriebsstrategie.

Stufe-2-Systemsimulation: Antriebsstrangstufe

Der Stufe-2-Simulationsansatz von FEV garantiert einen ausreichenden Detaillierungsgrad, immer dann, wenn anspruchsvollere Simulationen als Zyklussimulationen und Leistungstestfälle erforderlich sind. Das Stufe-2-Simulationstool ist eine multidimensionale Simulationsplattform, die strukturell der Stufe 1 ähnelt, aber ein genaueres Verhalten der physischen Komponenten aufweist.
Der Hauptunterschied zwischen Stufe 1 und Stufe 2 ist der Detaillierungsgrad in der Komponentensimulation. Beispielsweise müssen während eines Gangwechsels bei einem Vollhybridfahrzeug beide Antriebsquellen – der Verbrennungs- und der Elektromotor – sowie die Kupplungskapazität so kontrolliert werden, dass die Komponentengrenzen nicht überschritten werden. Gleichzeitig muss der Fahrkomfort im akzeptablen Bereich liegen. Die Stufe-2-Simulation umfasst genaueres physisches Verhalten – wie die Drehschwingung und die Dämpfung der verschiedenen Wellen und die akkurate Kupplungsaktivierung und ermöglicht somit eine gründliche Analyse der Schaltprozesssequenz. Ein derart detailliertes Modell ermöglicht eine Offline-Kalibrierung des Gangwechsels vor der Kalibrierung auf dem Prüfstand oder der Kalibrierung eines vollständigen Fahrzeugs. Vorteile hieraus sind eine verringerte Anzahl von Fahrzeugprüfungen und ein minimiertes Risiko von Komponentenschäden.

Austauschbare Modelle

Das Stufe-2-Modell basiert auf derselben modularen Struktur wie das Stufe-1-Modell und die Mehrheit der Untermodelle sind zwischen Stufe 1 und 2 austauschbar. Die modulare Modellstruktur ist, wie zuvor erwähnt, mit den intern bei FEV gebauten Untermodellen verknüpft und ermöglicht es dem Nutzer, den Detaillierungsgrad des Untermodells individuell an spezifische Aktivitätsbedürfnisse anzupassen. Hierdurch kann der Nutzer sehr spezifische Testfälle simulieren, z. B. ein im Rückwärtsgang beschleunigendes Fahrzeug an einer Steigung oder die Simulation der Abschaltung des Verbrennungsmotors bei der Fahrt mit einem Vollhybridfahrzeug.
Um die Effizienz dieser mehrstufigen Simulationsplattform zu unterstützen, hat FEV eine einfach zu verwendende Modelldokumentation entwickelt, welche die Struktur und die Inhalte jeder einzelnen Stufe erläutert. Daher werden alle Simulationsmodelle mit ihrer eigenen Benutzeranleitung angeboten, die das gesamte Simulationstool und alle Untermodelle beschreibt.

Grafik - Hybrid- und Elektrofahrzeuge

Stufe-1-Systemsimulation: Optimierung der Hybridstrategie

 

 

 

 

 

 

 

Grafik - Hybrid

Stufe-1-Systemsimulation: Dimensionierung der Komponenten

 

 

 

 

 

 

 

 

Grafiken - Hybrid

Stufe-2-Systemsimulation: Motorstopp während der Rekuperation

 

 

 

 

 

 

 

 

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