
E-Antriebskonzept
Hochleistung durch innovatives Zweigang-Getriebe
Der Trend zu batterieelektrischen Fahrzeugen wird sich in Zukunft fortsetzen und wahrscheinlich noch beschleunigen. Besagte Fahrzeuge werden einen signifikanten Beitrag zur Erfüllung zukünftiger Kraftstoffverbrauchs- und Emissionsziele für Fahrzeugflotten leisten. Um kommerziell erfolgreich zu sein, benötigen diese neuen Fahrzeuge moderne und intelligente Lösungen für ihren Antriebsstrang einschließlich Batterie und Antriebseinheit.
Das optimale Konzept für eine Antriebseinheit muss auf Grundlage einer Beurteilung von Leistung, Effizienz und Kosten auf Systemebene entwickelt werden. Dies schließt alle Komponenten des Antriebsstrangs wie Batterie, Umrichter, Elektromotor und Getriebe ein. Dieses Ziel haben FEV und YASA mit Blick auf einen Hochleistungs-Pkw der oberen Mittelklasse verfolgt. Das Ergebnis ist ein Konzept für eine Antriebseinheit mit außergewöhnlicher Leistungsdichte und Effizienz auf Basis der einzigartigen Axialflussmotor-Technologie von YASA und eines innovativen Zweigang-Getriebekonzepts von FEV.
Abbildung 1 zeigt eine Außenansicht der Antriebseinheit einschließlich der wichtigsten technischen Daten. Mit einer Spitzenleistung von 300 kW und einem Gewicht von weniger als 85 kg bietet die Antriebseinheit eine herausragende Leistungsdichte von 3,5 kW/kg auf Systemebene. Das maximale Achsdrehmoment von 6.000 Nm übertrifft die typischen Radschlupfgrenzen bei Anwendungen sowohl mit Vorder- als auch mit Hinterradantrieb und gewährleistet eine überragende Beschleunigungsleistung auf Fahrzeugebene.
Elektromotor und Umrichter
Bei dem YASA-Motor handelt es sich um eine Axialfluss-Elektromaschine mit Dauermagneterregung. Diese Maschine wurde aufgrund ihrer hohen Leistungsdichte (bis zu 15 kW/kg bei kundenspezifischen Motorkonstruktionen), ihrer hohen Effizienz (insbesondere im Teillastbetrieb) und ihrer kostengünstigen Herstellung ausgewählt. Bei diesem Motor umspült die Kühlflüssigkeit unmittelbar die Kupferwicklungen und sorgt so für eine sehr effiziente und gleichmäßige Kühlung jeder Wicklung. Die Umrichter von YASA zeichnen sich ebenfalls durch eine hohe Leistungsdichte aus. Dies wird durch eine direkte Ölkühlungstechnologie ermöglicht, die den Einsatz von schweren und kostenintensiven Kühlkörpern und Leistungshalbleiter-Packagings deutlich reduziert. Bei koaxialer Integration von Motor und Umrichter teilen sich diese einen gemeinsamen Kühlkreislauf, was zu weiter reduziertem Volumen sowie zu geringerer Masse und Komplexität der Verbindungen führt.
Getriebekonzept
Passend zu der beschriebenen Motor-Umrichter-Kombination wurde ein lastschaltfähiges Zweigang-Konzept entwickelt. Abbildung 3 zeigt verschiedene Ansichten der Antriebseinheit. Die Zweigang-Funktionalität wird mithilfe eines Ravigneaux-Planetensatzes realisiert.
In Abbildung 4 ist die Topologie des Getriebes erläutert. Das Planetengetriebe ist koaxial zum Elektromotor angeordnet. Das kleine Sonnenrad (SS) dient als Eingang, und der Ring (R) als Ausgang zur Zwischenwelle und zum Differenzial. Die beiden Gänge werden mithilfe zweier Bremsen B1 und B2 realisiert. Bremse B1 ist mit dem Träger verbunden und mit einem Freilauf (One-Way Clutch, OWC) parallel geschaltet, B2 ist mit dem großen Sonnenrad (LS) verbunden. Obwohl diese Anordnung mechanisch komplexer ist als Architekturen mit einem einfachen Planetengetriebe, hat sie eine Reihe technischer Vorteile. Wie in der Tabelle „Schaltelement-Relativdrehzahlen“ dargestellt, liegt die Relativdrehzahl an den offenen Bremsen immer unter der Antriebsdrehzahl am kleinen Sonnenrad, eine wichtige Eigenschaft für minimale Schleppverluste. Gleichzeitig sind die von den Bremsen aufzubringenden Reaktionsmomente günstig, wie der Tabelle „Schaltelement-Drehmomente“ zu entnehmen ist. Die Bremse B2 muss weniger als die Hälfte des Eingangsdrehmoments abstützen. Die Bremse B1 muss zwar das 1,5-fache des Eingangsdrehmoments abstützen, wird aber vom parallel geschalteten Freilauf unterstützt. Dadurch kann die Bremse selbst kleiner ausgelegt werden, was die Schleppverluste weiter reduziert. Im Gegensatz zu Kupplungen wird bei Bremsen der Einsatz von Drehdurchführungen oder Einrücklagern zur Betätigung des Schaltelements vermieden. Außerdem kann die Wärmekapazität der Bremsen über die Dicke ihrer (nicht rotierenden) Stahllamellen skaliert werden, ohne dass sich dies negativ auf die rotierenden Trägheiten auswirkt. Die ausschließliche Verwendung von Bremsen war daher ein wichtiges Kriterium bei der Wahl des Konzepts. Beide Bremsen werden über einen in Serie befindlichen, bedarfsgerecht arbeitenden Aktuator der Firma LuK betätigt. Die auch als HCA (Hydrostatic Clutch Actuator, hydrostatischer Kupplungsaktuator) bezeichnete Einheit arbeitet mit einem bürstenlosen Elektromotor für jedes Schaltelement, das über eine Spindel einen hydraulischen Hauptkolben betätigt. Aufgrund der leckagefreien Übertragungsstrecke ist dieses System sehr effizient. Dank der guten axialen Zugänglichkeit der Bremsen könnten alternativ auch elektromechanische Betätigungskonzepte verwendet werden.
In Abbildung 5 werden die Funktionen der Bremsen und des Freilaufs erläutert. Dort wird noch ein weiterer Vorteil dieser Anordnung genannt: Im ersten Gang kann im Zugbetrieb die Bremse B1 geöffnet werden, wobei das Reaktionsmoment am Planetenträger nur vom Freilauf bereitgestellt wird. Aus diesem Zustand heraus kann das Hochschalten unter Last, das hinsichtlich Schaltkomfort am kritischsten ist, einfach durch das Schließen der Bremse B2 erfolgen. Diese Art der Schaltung ist einfacher und robuster als eine konventionelle Lastschaltung, die normalerweise die gleichzeitige Regelung von zwei Schaltelementen erfordert. Der gleiche Vorteil gilt für das Herunterschalten unter Last, wobei nur B2 geöffnet werden muss. Bei Null-Drehzahl des Trägers übernimmt automatisch der Freilauf und schaltet so in den ersten Gang.
Kühl- und Schmierkonzept
Wie oben bereits erwähnt, teilen sich der Elektromotor und der Umrichter einen gemeinsamen Kühlkreislauf. Durch die Verwendung eines speziellen Öls für elektrische Antriebseinheiten, das die Anforderungen sowohl der elektrischen als auch der mechanischen Bauteile erfüllt, kann das Getriebe ebenfalls in diesen Kühlkreislauf integriert werden. Derzeit ist eine solche Kühlflüssigkeit noch in der Entwicklung, sie kann aber innerhalb einer 3-jährigen Serienentwicklung bereitgestellt werden. Der offensichtliche Vorteil eines so hoch integrierten Kühl- und Schmierölkreislaufs liegt darin, dass diese Lösung weniger komplex und kostengünstiger ist, da nur eine Pumpe, ein Kühler und nur wenige externe Schlauchleitungen erforderlich sind. Zudem werden die Schnittstellen zum Fahrzeug erheblich vereinfacht. Alternativ können auch separate Ölkreisläufe für Elektromotor/Umrichter und Getriebe verwendet werden. In diesem Fall stehen die benötigen Öle sofort zur Verfügung und können für die Anforderungen der einzelnen Kreisläufe individuell angepasst werden. Das Entwicklungsrisiko wird so reduziert, allerdings steigen die Komplexität und die Kosten des Gesamtsystems. In Abbildung 6 ist die Variante mit einem gemeinsamen Kühl- und Schmierkreislauf erläutert.
Eine elektrische Ölpumpe saugt Öl aus dem Ölsumpf und leitet es über einen Öl/Wasser-Wärmetauscher zum Umrichter. Von dort fließt das Öl durch den Elektromotor und anschließend zurück zum Getriebe, wo der Volumenstrom geteilt wird. Ein Teil des Öls wird in die Hauptwelle des Planetengetriebes eingespeist, von wo aus es nicht nur den Radsatz schmiert, sondern auch bei Bedarf die Bremsen kühlt. Der Rest des Öls läuft nicht in den Ölsumpf ab, sondern wird in einem Tank (Reservoir) im Getriebe zwischengespeichert. Von dort aus werden weitere Komponenten über verschiedene Kanäle geschmiert, darunter die Zahnradeingriffe und die Lager der Zwischenwelle. Dank einer intelligenten Regelungsstrategie für die Ölpumpe lassen sich der Füllstand des Tanks und damit auch der Ölstand im Getriebe variieren, was wesentlich zu einer Reduktion der Getriebeverluste durch Planschen und damit zu einer Effizienzsteigerung beiträgt. Abbildung 7 zeigt zwei Innenansichten des Getriebes einschließlich des integrierten Ölreservoirs. Ein Parksperren-System ist auf der Zwischenwelle angeordnet und kann durch einen eigenständigen elektromechanischen Park-by-Wire-Aktuator betätigt werden.
Zusammenfassung
Die hier vorgestellte Zweigang-Antriebseinheit nutzt eine Kombination aus einem elektrischen Axialflussmotor und einem koaxial angeordneten Umrichter, welche sich durch ihre hohe Leistungsdichte auszeichnet und dennoch modular aufgebaut ist. Das Getriebe basiert auf einem Ravigneaux-Planetensatz mit zwei Bremsen als Schaltelementen. Zusammen mit einem Freilauf ist dies ein vorteilhafter Aufbau sowohl im Hinblick auf Schleppverluste als auch hinsichtlich Regelbarkeit und Schaltkomfort. Durch die bedarfsgerechte Betätigung der Bremsen wird der Energieverbrauch minimiert. Der Elektromotor, der Umrichter und das Getriebe teilen sich optional einen einzigen gemeinsamen Kühl- und Schmierölkreislauf. So kann die Komplexität reduziert und die Schnittstellen zwischen Antriebseinheit und Fahrzeug vereinfacht werden. Mit einer Spitzenleistung von 300 kW und einem Gewicht von weniger als 85 kg bietet die Antriebseinheit eine herausragende Leistungsdichte von 3,5 kW/kg auf Systemebene. Das maximale Achsdrehmoment von 6.000 Nm übertrifft sogar die typischen Radschlupfgrenzen bei Anwendungen sowohl mit Vorder- als auch mit Hinterradantrieb und gewährleistet eine überragende Beschleunigung auf Fahrzeugebene.
Schlussbemerkung
Das in diesem Artikel vorgestellte Konzept für eine Antriebseinheit wurde von YASA und FEV gemeinsam entwickelt. Eigentümer der hier beschriebenen Motor- und Umrichtertechnologie ist YASA Limited, ein Entwickler und Hersteller von Elektromotoren und Umrichtern mit Sitz in Großbritannien. Das beschriebene Zweigang-Getriebekonzept ist Eigentum von FEV.
