Mild-Hybrid-Diesel-Antriebsstrang

Mild-Hybrid-Diesel-Antriebsstrang mit einer der Turbine vorgelagerten Abgasnachbehandlung

6. Mai 2020 | Engineering Service

Es wurde ein Konzept entwickelt, das ein der Turbine vorgelagertes Abgasnachbehandlungssystem (Pre-Turbine Exhaust Aftertreatment System, PT EATS) mit einem Mild-Hybrid-Konzept kombiniert. Mittels Simulation wurde das Potenzial dieses Konzepts bestimmt, eine gleichzeitige Reduktion der NOx- und der CO2-Emissionen zu erzielen. Nach der Auswahl der wichtigsten Motor- und Hybridsystem-Hardware wurden die Betriebsstrategien für die Rekuperation und die Turbolader-
regelung festgelegt, um das System in die Lage zu versetzen, den Zielwert von unter 40 mg/km NOx in den Emissionen mit einem Konformitätsfaktor von 1 über alle Fahrzyklen unter realen Bedingungen einzuhalten. Das Leistungsverhalten und die Fahrbarkeit des Testfahrzeugs werden so definiert, dass sie den Eigenschaften des Basisfahrzeugs entsprechen. Die Grundidee bestand darin, das Abgasnachbehandlungssystem (EATS) direkt hinter dem Abgaskrümmer und damit vor der Turbine anzuordnen (Abbildung 1), um die bestmögliche Leistung bei der Nachbehandlung zu erzielen und gleichzeitig aufgrund reduzierter Heizmaßnahmen das Potenzial zur CO2-Verringerung zu erschließen.

Die Motorhardware und das PT EATS wurden mittels Simulationsverfahren entworfen und optimiert, um das beste Layout für die Katalysatoren zu ermitteln und die potenziellen Vorteile hinsichtlich der Verringerung der CO2- und NOx-Emissionen zu quantifizieren. In das bestehende Motormodell wurden das 48 V-System, das aus einem Riemenstartergenerator (RSG) mit den zugehörigen Regelungskomponenten, einem elektrisch unterstützten Turbolader (e-TC) und der 48 V-Batterie besteht, sowie das PT EATS integriert. Die Abmessungen der EATS-Komponenten wurden durch Simulationen mit Blick auf eine erfolgreiche Integration in den Motorraum optimiert. Der e-Turbo wurde mittels GT Power dimensioniert und die Abgasrückführungsstrategie (AGR) so optimiert, dass die extrem niedrigen NOx-Rohemissionswerte erreicht werden können. Außerdem wurde anhand des Simulationsmodells das Rekuperationspotenzial bestimmt. Der ursprüngliche Abgaskrümmer wurde um 180 °C gedreht, damit der Turbolader untergebracht werden onnte, und es wurde ein größerer HD(Hochdruck)-AGR-Kühler eingebaut, um die Nutzung der AGR im Volllastbetrieb zu ermöglichen. Darüber hinaus wurden Designänderungen an der Halterung des Zwischenkühlers sowie an den Wasser- und Luftleitungen vorgenommen, wodurch das gesamte System im Motorraum des gewählten Testfahrzeugs aus der SUV-Klasse untergebracht werden konnte.

Auswirkungen auf die Enthalpie

Durch die Platzierung des Nachbehandlungssystems vor der Turbine ändern sich die Enthalpie und das Wärmeträgheitsprofil des Turboladers im Verhältnis zu einer herkömmlichen Anordnung (Abbildung 2). Dadurch, dass das Fahrzeug nun über ein elektrisches System mit 48 V verfügt, kann ein der Turbine vorgelagertes Nachbehandlungssystem eingerichtet werden, indem ein e-TC integriert wird, der den durch die erhöhte Wärmeträgheit des PT EATS verursachten Druck- und Temperaturverlust ausgleicht.

Zu Beginn des Betriebs ist die Temperatur vor der Turbine, aufgrund der erhöhten thermischen Masse deutlich niedriger als ohne das PT EATS. Doch mit der Erwärmung des Abgassystems entstehen infolge der höheren thermischen Masse vor der Turbine eine thermische Verzögerung und ein allgemeiner Temperaturunterschied. Das Wärmeverlustprofil des PT EATS ergibt einen berechneten kumulierten Enthalpieverlust von 4 Prozent über einen WLTC (Abbildung 2). Um in solchen Phasen geringer Enthalpie die Ladedruckpegel halten zu können, erzeugt der elektrische Turbolader zusätzlichen Ladedruck; zudem dient er der Rekuperation überschüssiger Energie aus dem Abgasstrom, wann immer das möglich ist. Rekuperationspotenzial Das Rekuperationspotenzial des Systems wurde an zwei Teillastbetriebspunkten untersucht, siehe Abbildung 3. Zudem wurde der bremsenspezifische Kraftstoffverbrauch bei zwei Rekuperationsstrategien verglichen und ebenfalls in Abbildung 3 dargestellt. Die Rekuperation am Turbolader mittels eines Turboladers mit variabler Geometrie (Variable-Geometry Turbocharger, VGT) wird mit der Entnahme der gleichen Leistung am RSG mittels Betriebspunktlastverschiebung verglichen. Die zweite Strategie weist einen um bis zu 3,3 Prozent energieeffizienteren Verlauf auf, da durch das Schließen des VGT die Pumpenverluste steigen, wie im rechten Diagramm in Abbildung 3 zu sehen. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass mit zunehmender Rekuperation auch der Kraftstoffverbrauch steigt, da mehr Leistung benötigt wird, um die gleiche Wirkleistung zu erzielen.

Bemessung des Turboladers

Hinsichtlich der Bemessung des e-TC wurde die Verwendung einer größeren Turbine in Betracht gezogen, da eine solche mittels optimierter Pumpenverluste den Kraftstoffverbrauch hätte senken können. Allerdings spielen pumpenverlustbedingte nachteilige Auswirkungen auf den Kraftstoffverbrauch in den meisten Pkw-Fahrszenarien keine große Rolle, der Nutzen eines Upsizing des e-TC wäre also gering gewesen, da im transienten Betrieb eine stärkere elektrische Aufladung erforderlich gewesen wäre. Dementsprechend wurde eine kleinere Turbine gewählt. Das entscheidende Kriterium bei der Bemessung der verwendeten E-Maschine ist das transiente Ansprechverhalten des Fahrzeugs. Unter Verwendung unterschiedlicher Leistungen der elektrischen Maschine am e-TC wurde eine Beschleunigung aus dem Stand auf 100 km/h simuliert, um herauszufinden, bei welcher e-TC-Leistung das Beschleunigungsverhalten dem des Basisfahrzeugs (8,7 s im Sprint auf 100 km/h) am nächsten kommt. Diese Simulationen sind in Abbildung 4 dargestellt. Ohne Unterstützung durch elektrische Aufladung steigt die Beschleunigungszeit auf 13,0 s, was die Notwendigkeit eines e-Turbos verdeutlicht. Ein Anheben der E-Maschinenleistung auf über 11 kW lieferte keine signifikante Verringerung der Ansprechzeit (zwischen 9,0 s und 9,4 s), da die Beschleunigung durch die maximale Drehzahl der Elektromaschine auf 180.000 min-1 begrenzt wird.

AGR-Strategie

Im Hinblick auf eine Reduzierung der Kosten und der Komplexität des AGR-Kreislaufs wurde die Option einer reinen HD-AGR-Strategie untersucht, bei der überschüssige Energie aus dem Abgas rekuperiert und die Position des VGT zugleich so regelt, dass der erforderliche Gegendruck für höhere AGR-Raten bei vergleichbarem Ladedruck erzielt wird. Die Ergebnisse zeigten jedoch, dass bei der Einbindung des ND(Niederdruck)-AGR-Pfads über den WLTC etwa 30 Prozent weniger elektrische Energie erforderlich sind, weshalb sowohl die HD- als auch die ND-AGR verwendet wurden. Da ermittelt wurde, dass sich das PT EATS-Volumen im Verhältnis zur AGR-Strategie nur geringfügig auf den Kraftstoffverbrauch auswirkt (Abbildung 5), wurde das maximal verfügbare EATS-Volumen ausgenutzt, um ein Partikelfilterregenerationsintervall zu erzielen.

Alle oben genannten Variablen wurden zusammengeführt, um eine optimierte Luftpfadstrategie zu entwickeln. Der geringstmögliche Aufladebedarf während transienten Fahrbedingungen ergibt sich, wenn eine Kombination aus LP- und HD-AGR, eine verhältnismäßig kleine Turbine und ein 11-kW-Elektromotor verwendet werden. Der zusätzliche Energiebedarf für diese Anordnung über einen WLTC lag bei circa 52 Wh ohne Rekuperation am RSG oder dem e-Turbo.

Luftpfadregelung

Die Verwendung einer elektrischen Unterstützung gemeinsam mit einer VGT erfordert eine spezielle Regelungsstrategie zur Optimierung der verschiedenen Betriebszustände. In der vorliegenden Ausgestaltung des Konzepts wird die Elektromaschine hauptsächlich zur Unterstützung im transienten Betrieb während des Ladedruckaufbaus und zur Rekuperation während des Verzögerns oder im Schubbetrieb verwendet. Die herkömmliche Ladedruckregelung des VGT wurde um eine erweiterte modellbasierte Regelung der Leistung bzw. des Drehmoments als direkte Stellgröße der Elektromaschine ergänzt. In diesem Ansatz wird das Drehmoment der Elektromaschine auf Grundlage der Differenz zwischen dem angestrebten und dem tatsächlichen Turbinendrehmoment berechnet.

Zusätzlich wird ein E-Boost-Regelfaktor eingeführt. Dieser passt die Dynamik des geforderten Drehmoments – und damit der elektrischen Ladung – so an, dass ein optimaler Kraftstoff-
verbrauch bei noch ausreichender Ladedruckdynamik erzielt wird. Das geforderte Drehmoment berechnet sich dabei aus dem Modell. In Abbildung 6 sind die Auswirkungen auf den Kraftstoffverbrauch und die NOx-Rohemissionen als Funktion des E-Boost-Regelfaktors für den WLTC dargestellt.

Wenn kleine E-Boost-Regelfaktoren angesetzt werden, greift die Elektromaschine nur bei sehr großen Differenzen zwischen dem angestrebten und dem tatsächlichen Turbinendrehmoment unterstützend ein. Bei größeren Werten des Regelfaktors hingegen erfolgt die Unterstützung durch die E-Maschine bereits bei kleineren Differenzen des Turbinendrehmoments. Das hat zur Folge, dass die NOx-Rohemissionen bei höheren Werten des E-Boost-Regelfaktors sinken, der Kraftstoffverbrauch hingegen signifikant ansteigt, weil mehr elektrische Leistung benötigt wird. Diese Beobachtungen wurden zusammengeführt, um den Zielbereich für den E-Boost-Regelfaktor zu bestimmen.

Optimierung der Gesamtstrategie für den Hybridansatz

Es wurde untersucht, welche zusätzlichen Vorteile die in Abbildung 7 dargestellte 48 V-Mild-Hybrid-Systemarchitektur bietet. Der herkömmliche 12 V-Generator wurde durch einen 48 V-Riemenstartergenerator ersetzt. Über einen bidirektionalen Gleichspannungswandler wurden eine 48 V-Batterie mit einer Kapazität von 0,5 kWh und der elektrisch unterstützte VGT an die bordeigene 12 V-Energieversorgung angeschlossen.

Bei der Optimierung der Regelung des elektrischen VGT entscheidet ein Prioritätenmanager auf Grundlage des jeweiligen Zustands des elektrischen Systems über die Aufteilung der verfügbaren Energie auf die verschiedenen Verbraucher. In dem Simulationsmodell wird eine übergeordnete Energiemanagementstrategie eingesetzt, um unter allen Betriebsbedingungen eine zuverlässige Versorgung des bordeigenen 12 V-Netzes sicherzustellen. Zugleich wird das Potenzial der verschiedenen 48 V-Komponenten zum Ausbalancieren der Unterstützung im transienten Betrieb während des Ladedruckaufbaus und des Rekuperationspotenzials im Schubbetrieb und hohem Enthalpiestrom vor der Turbine maximiert.

Der elektrische Energiehaushalt innerhalb des 48 V-Systems über den WLTC ist in Abbildung 8 dargestellt. Die Rekuperation erfolgt fast ausschließlich durch den RSG, wohingegen der Energieverbrauch durch die Verbraucher im 12 V-Netz und die Unterstützung der elektrischen Aufladung ungefähr gleich groß ist. Da die rekuperierte
Energie den elektrischen Energieverbrauch übersteigt, werden circa 30 Prozent zum Laden der 48 V-Batterie verwendet.

Der zweite Teil dieses Artikels widmet sich in einem kommenden Magazinartikel der Optimierung des PT EATS-Systems sowie dem Leistungsverhalten des Gesamtsystems in wichtigen RDE-Zyklen.

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