
Hohe Flexibilität, verringerte Betriebskosten
Range Extender-Systeme für Elektrifizierte Antriebe in mittelschweren Transportfahrzeugen
Auf der Suche nach einer optimierten Antriebskonfiguration für mittelschwere Transportfahrzeuge hat FEV das Potenzial serieller Hybridsysteme im Vergleich zu konventionellen und rein elektrischen Antrieben untersucht. Das Ergebnis: Bereits mit heute realistischen Kostenszenarien können die Betriebskosten serieller Hybridlösungen im Vergleich zu konventionellen Antrieben sinken. Hierfür gilt es, die Energiespeicher und Antriebsquellen anforderungsgerecht zu dimensionieren und mit Blick auf die typischen Fahrprofile zu optimieren. Derartige rechnerische Untersuchungen sind ferner ein probates Mittel, um anhand realer Anforderungsprofile und Flottendaten die für einen bestimmten Fuhrpark günstigste Kombination von Antriebslösungen zu ermitteln. Während sich die vorliegende Studie auf die Betriebskosten fokussierte, werden die Anschaffungskosten derartiger Systeme stets vor dem Hintergrund der jeweils aktuellen politischen Diskussionen sowie der sich dynamisch ändernden Marktpreise zu bewerten sein.
Das Wachstum der globalen Bevölkerung in Verbindung mit einem überproportionalen Anstieg der Transportleistung stellt sicher eine der größten Herausforderungen in Hinblick auf nachhaltige Mobilitätskonzepte dar. Insbesondere die zunehmende Urbanisierung und gleichzeitig verschärft geführte Diskussion über Reduktion der Schadstoffreduktion in Ballungsräumen führen zur Elektrifizierung von Nutzfahrzeug-Antriebssträngen. Im Bereich der leichten Transportfahrzeuge beispielsweise für Kurierdienste und Post-Verteilerfahrzeuge gibt es bereits entsprechende, rein elektrische Lösungen in größeren Stückzahlen auf dem Markt. Es ist zu erwarten, dass diese Technologie auch in den schwereren Fahrzeugklassen weiter Eingang findet.
Die Kombination elektrischer Motoren mit einem zusätzlichen „Range Extender“ stellt für das typische „Medium Duty“-Nutzfahrzeugsegment eine naheliegende Lösung dar, die auch täglich wechselnde Anforderungen hinsichtlich der zu bedienenden Lieferstrecken abdeckt. Eine serielle Anordnung der Antriebsquellen bietet bereits große Potentiale und kann zudem relativ einfach ausgeführt werden.
Simulationsstudie
Im Rahmen einer Simulationsstudie basierend auf einem rein elektrischen Fahrzeug hat FEV verschiedene Antriebskonzepte untersucht und hinsichtlich Verbrauchspotentialen und Betriebskosten bewertet. Als Basis-Fahrzeug wurde ein typisches zweiachsiges Verteilerfahrzeug mit einem zulässigen Gesamtgewicht von zwölf Tonnen definiert. Für die Dimensionierung des rein elektrischen Antriebs wurden Flottendaten einer Spedition aus dem Köln-Aachener-Raum herangezogen, die für etwa 50 Prozent aller Fahrten in einem Zeitraum von zehn Tagen eine tägliche Lieferstrecke von etwa 100 Kilometern zeigten. Darauf wurde die Kapazität der Batterie aller Hybridantriebe bemessen, was unter Berücksichtigung von 50 Prozent der maximalen Zuladung und eines nutzbaren Energieinhalts von 75 Prozent der Batterie zu einer Gesamtkapazität von etwa 100 kWh im gewählten Fahrzyklus führte. Eine größere Batterie für eine Reichweite im rein elektrischen Betrieb von 200 Kilometern wurde ebenfalls untersucht. Die installierte elektrische Antriebsleistung wurde aufgrund der Anforderung der verwendeten Zyklen und der Charakteristik von Elektromotoren zu insgesamt 150 kW gewählt.
>> BEREITS MIT HEUTE REALISTISCHEN KOSTENSZENARIEN KÖNNEN DIE BETRIEBSKOSTEN IM VERGLEICH ZU KONVENTIONELLEN ANTRIEBEN SINKEN
Range Extender-Konzepte
Als mögliche Range Extender wurden neben einem 7,5 Liter-6-Zylinder-Dieselmotor mit 180 kW Nennleistung, der in dieser Fahrzeugklasse einen typischen konventionellen Antrieb darstellt, kostengünstige PKW-Motoren gewählt. Hierbei handelt es sich um einen 2 Liter-Dieselmotor und einen 1,8 Liter-Ottomotor mit jeweils 130 kW Nennleistung. Auch ein Brennstoffzellen-System mit 100 kW elektrischer Leistung wurde betrachtet. Für die untersuchten Motoren wurden unterschiedliche Abgasnachbehandlungssysteme und Tankgrößen angesetzt und die entsprechenden Gewichte berücksichtigt. Alle Systeme wurden konstruktiv anhand vorhandener Daten eines typischen Fahrzeugs hinsichtlich Package auf Umsetzbarkeit hin
untersucht, wobei die Batterien aus Sicherheitsgründen im Rahmen untergebracht wurden. Als elektrischer Antrieb wurden zwei Motoren auf der Hinterachse mit der o.a. Gesamtleistung von 150 kW berücksichtigt.
Energie- und Kraftstoffverbrauch
Mittels des auf einer Modellbibliothek basierenden Simulationswerkzeugs wurden die Energie- und Kraftstoffverbräuche des Fahrzeugs für die verschiedenen Antriebsvarianten im Worldwide Harmonized Vehicle Cycle (WHVC) sowie einem in diversen Studien verwendeten Urban Delivery Cycle (UDC) berechnet, der auch ein Höhenprofil berücksichtigt. Die Betriebsstrategie sieht vor, die benötigte Energie zunächst aus der Batterie bereitzustellen und rein elektrisch zu fahren, bis der festgelegte minimale Ladungszustand – hier 20 Prozent der vollen Ladung – erreicht ist. Ab diesem Punkt wird der Ladezustand durch Starten des Verbrennungsmotors zum Nachladen der Batterie annähernd konstant gehalten. Die Regelung des Motorbetriebs vermeidet hohe spezifische Verbräuche und nutzt die motorischen Betriebspunkte, die in dem jeweils günstigsten Verbrauchsbereich für eine bestimmte Leistung liegen. Gegenüber einer Auslegung auf nur einen Betriebspunkt führt dieser Betrieb mit wechselnder Drehzahl zu einem für den Fahrer angenehmen akustischen Verhalten.
Verglichen mit dem rein konventionellen Antrieb zeigen die Diesel-Range Extender im WHVC eine Verbrauchsminderung von zwei beziehungsweise sieben Prozent im ladungserhaltenden Modus. Vergleich zum rein konventionellen Antrieb. Aufgrund des höheren spezifischen Verbrauchs erhöht sich mit einem Ottomotor als zusätzliche Antriebsquelle der Verbrauch um 18 Prozent. Hierbei ist zu bemerken, dass der Verbrauch des konventionellen Antriebs mit einem den elektrischen Komponenten entsprechenden Mehrgewicht im WHVC um etwa sieben Prozent ansteigt. Nimmt man dies als Basis, ist der Verbrauch der hybriden Systeme in gleichem Maße günstiger. Der Vergleich mit den Ergebnissen im Urban Delivery Cycle, der sich durch einen geringeren Anteil hoher Geschwindigkeiten, häufigere Beschleunigungs- und Bremsvorgänge sowie durch ein Höhenprofil kennzeichnet, zeigt einerseits einen höheren Basisverbrauch, bietet aber auch deutlichere Einsparpotentiale im hybriden Betrieb. Insgesamt ist die aufzuwendende Energie für den Zyklus niedriger, wie der rein elektrische Betrieb zeigt.
>> IM WHVC ZEIGEN DIE DIESEL-RANGE EXTENDER EINE VERBRAUCHSMINDERUNG VON ZWEI BEZIEHUNGSWEISE SIEBEN PROZENT IM LADUNGSERHALTENDEN MODUS
Berechnung der Kosten im täglichen Betrieb
Insgesamt müssen die Konzepte in Hinblick auf die laufenden Kosten bzw. den Energiebedarf des Fahrzeugs im Realbetrieb bewertet werden – und zwar in Abhängigkeit von der täglich zurückgelegten Fahrstrecke. Im Rahmen der FEV-Untersuchung wurden die reinen Energiekosten herangezogen, jedoch Beschaffungs-, Abschreibungs- oder Verschleißkosten der Systeme außen vor gelassen. Um die derzeit herrschenden Unsicherheiten in Bezug auf künftige Energiekosten zu berücksichtigen, sind die Kosten für Kraftstoff und Strom mit zwei Szenarien abgebildet. Im ersten Szenario werden moderate Kraftstoffkosten anhand des Durchschnittspreises zwischen 2011 und 2016 angesetzt, während sich der Strompreis am Haushaltspreis orientiert. Im zweiten Szenario werden der maximale Kraftstoffpreis aus dem betrachteten Zeitraum sowie ein reduzierter Strompreis für Industriekunden verwendet, da bei steigenden Kraftstoffkosten von einer Zunahme der elektrifizierten Fahrzeuge und somit einer anderen Einstufung des Flottenbetreibers ausgegangen wird.
Ergebnisse
Die Betriebskosten des konventionellen beziehungsweise rein elektrischen Antriebs steigen entsprechend der jeweiligen Kostenszenarien linear mit der Fahrstrecke an. Anders ist dies beim Wechsel auf einen seriellen Hybridantrieb: Ab einer täglichen Fahrstrecke von 100 Kilometern knickt der Kostengradient entsprechend der errechneten Streckenverbräuche und Energiekosten ab.
Innerhalb der betrachteten Lieferstrecken bis zu 200 Kilometern pro Tag sind die Betriebskosten des seriellen Hybridantriebs mit Dieselmotoren immer günstiger als mit dem konventionellen Motor.
Diese Einsparungen können nun den Mehrkosten des Hybridsystems für eine Return of Invest-Rechnung gegenübergestellt werden.
Mit Ottomotor ergibt sich im Kostenszenario 1 aufgrund des höheren Niveaus der elektrischen Kosten und des höheren spezifischen Verbrauchs allerdings auch ein Kostennachteil bei täglichen Fahrleistungen von mehr als 160 Kilometern.
Die Betriebskosten mit Brennstoffzelle sind wegen des hohen Wasserstoffpreises, der in beiden Szenarien bei
7,70 €/kg konstant gehalten wurde, ab 125 Kilometern beziehungsweise 150 Kilometern höher als mit dem Basisantrieb.
